DIE FURCHE · 1 24 Ausstellung 4. Jänner 2024 Lesen Sie dazu auch „Frauen in der Kunstgeschichte: Ignoriert und hintergangen“ von Theresa Steininger, 2.3.2022, furche.at Von Theresa Steininger war in vieler Augen nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky“ – so schrieb „Ich es Gabriele Münter selbst einmal in ihrem Tagebuch. Dass sie nicht nur aufgrund ihrer Liaison mit Wassily Kandinsky und als Bewahrerin und Retterin zahlreicher Werke des Blauen Reiters, die sie später stiftete, in die Kunstgeschichte einging, sondern auch als Säulenheilige der deutschen Avantgarde und der internationalen Moderne angesehen werden kann, möchte das Leopold Museum in einer umfassenden Retrospektive zeigen. Mit 130 Werken ist diese die erste große Ausstellung ihres Œuvres in Österreich. „Sie ist weit mehr als die Gefährtin eines einflussreichen Künstlers des 20. Jahrhunderts“, betont Direktor Hans-Peter Wipplinger. Kandinsky sei es aber gewesen, der als Erster ihr Talent erkannte und förderte. Bei einem FEDERSPIEL Sinnende Im Frühjahr 1917 schuf Gabriele Münter einen Zyklus großer Porträts, in denen die Frauenfigur zugleich Trägerin einer Botschaft ist. Ein Hirn zur Garnitur Schwarze Locken fließen vom Mittelscheitel bauschend zu den Schultern. Die Nase unter hoher Stirn führt die Symmetrie zur Spitze. Die Lippen geformt wie Amors Bogen. Das Kinn ist rund, jung, weich. Der Silberblick verhängt den glamourösen Stil. Hedy Lamarr ist affichiert. Dahinter erhebt sich das insolvente Skelett eines Luxuskörpers, der Rohbau eines Warenhauses. Die Baustelle Kurz-seitiger ÖVP-Freundschaften, Genossen, ins Geld verschossen eingeschlossen, ist eingebrochen. Die Substanz zerfällt, aber was geschieht mit dem Lockvogel für die Baustelle? Ein menschliches Antlitz, entwertet zur Reklame. Im Lamarr hätte ein Lamarr-Museum entstehen sollen. Was wird jetzt draus? Lamarr ließ ihren Austrofaschisten, Patronenkönig Fritz Mandl, sitzen. Er blieb ihr über das Exil hinaus verbunden. Die Frau war längst anders orientiert und schuf mit dem Komponisten Antheil die Methode des Frequenzensprunges für Funkübertragung, um die Nazis zu vernichten. Kein Groschen je wurde aus dem Patent lukriert. Der Impetus für Wifi, Mit ihren leuchtenden Farbflächen und harten Konturen war Gabriele Münter eine wichtige Vertreterin des Blauen Reiters. Das Leopold Museum zeigt eine Retrospektive. Säulenheilige der Moderne Sommerkurs lernten sie einander kennen und lieben, mit ihm kam sie auch erstmals nach Murnau am Staffelsee, wo sie ihr Leben lang einen wichtigen Mittelpunkt ihres Daseins haben sollte und wo ihr auch der entscheidende Durchbruch zu Klarheit und Reduktion gelang. Denn die Ausstellung zeigt mit exemplarischen Arbeiten: Münters erste Schritte tat sie mit feingespachtelten, pastosen, spätimpressionistischen Werken, mit denen sie jedoch nicht zufrieden war. „Sie strebte eine klarere Bildsprache an, die sie in Murnau erstmals erreichte“, so Kurator Ivan Ristić, der die Ausstellung chronologisch entlang ihrer Lebens- und Schaffensstationen gestaltet hat. „Die Farbfelder, die sie ab nun schuf, verliehen ihren Landschaftsbildern Struktur.“ Der Einfluss Alexej Mobiltelefonie, Bluetooth liegt darin, von Lamarr mit Antheil festgelegt, Faschismus zu besiegen. Ihr Silberblick auf dem Plakat ist nicht lieblich, er ist kriegerisch. In meiner Kindheit war Benko ein in Milch aufzulösender Kakao. Heute löst sich mein Steuergeld im Sumpf seines Firmengeflechtes auf. Nicht einmal das überlebensgroße Antlitz von Hedy Lamarr konnte Benko vor der Insolvenz bewahren. Sie hätte es wohl auch nie gewollt, für Beutezüge herzuhalten. Wie kam es überhaupt zur Verwendung ihres Namens und Bildes? Die Benutzung einer Frau, die gegen den Faschismus, politisch hochanständig und unkorrumpierbar war, scheint nicht das richtige Feigenblatt und Maskottchen für dieses Unternehmen gewesen zu sein. Mein Freund Markus Kupferblum sagt, wo immer sie ist, würde sie sich ins Fäustchen lachen, ich wünsche mir, dass er recht hat. Die Autorin ist Schriftstellerin. Von Lydia Mischkulnig Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957 © Bildrecht, Wien 2023 von Jawlenskys ist hier ebenso erkennbar wie jener der Hinterglasmalerei. Starke Konturen, wie sie auch in Letzterer üblich sind, ziehen sich durch Münters Werk. Auf Linien und Farbfelder konzen trier te Landschaften, vor allem aus der Umgebung Murnaus, wurden ihr Markenzeichen – und scheinen aufgrund der starken Farbgebung und Kontraste förmlich zu leuchten. „ Auf Linien und Farbfelder konzentrierte Landschaften, vor allem aus der Umgebung Murnaus, wurden ihr Markenzeichen ... “ Abstraktion ist seltener – „und war bei ihr niemals Selbstzweck“, wie Ristić betont. „Vielmehr war sie Ausweg und Notlösung, wenn Münter mit dem Naturvorbild nicht mehr weiterkam.“ So sieht man ein Werk von ihr, in dem sie einen Schaukelstuhl auf zwei Kurven reduziert hat, daneben hängt der erste Entwurf, „Nach dem Tee“, in dem man die Figuren genau erkennen kann. Auch als Zeichnerin wird Münter präsentiert – und als Fotografin. „Selbst viele kunstaffine Leute wissen nicht auf den ersten Blick, wer sie ist. Man muss Kandinsky und den Blauen Reiter nennen, um bei manchen einen Aha-Effekt auszulösen. Was aber noch weniger Menschen wissen, ist, dass sie auch eine beachtenswerte Fotografin war“, sagt Ristić. Fotos ihrer Reise in die USA – sie hat mit ihrer Kodak Bull’s Eye Nummer 2 mehr als 400 gemacht – hängen am Anfang der Ausstellung. „In ihnen erkennt man schon die spätere Malerin“, so der Kurator. Was ihr Leben lang wichtige Themen für sie bleiben, waren Linie und Farbe – Letztere war ja auch bei Kandinsky, ihrem Lehrmeister und zeitweiligen Lebenspartner, essenziell. Gemeinsam waren sie beide federführend bei der Gründung des Blauer Reiters, fotografisch begleitete Münter diese und wurde so auch zur Chronistin der Münchner Avantgarde. Neue Ansätze Als Kandinsky sich von ihr trennte, blieb Münter verbittert zurück – künstlerisch nahm sie in der Folge auch Anleihen bei der neuen Sachlichkeit. „Sie machte nun Zugeständnisse an den Zeitgeist“, nennt Ristić das. Und als sie nach einem Berlin-Ausflug, wo sie neue Strömungen aufnahm, nach Murnau zurückkehrte, wurden die neusachlichen Ansätze auch in den Gemälden der geliebten Gegend sichtbar. „Selbst ein Hauch von magischem Realismus ist zu sehen“, so Ristić. Als schließlich die Nationalsozialisten viele ihrer ehemaligen Weggefährten als „artfremd“ bezeichneten, fehlten ihre Werke gottlob in der berüchtigten Propagandaschau „Entartete Kunst“. „Ihr neuer Lebenspartner Johannes Eichner versuchte sie durch strukturelle und stilistische Zugeständnisse im Kunstbetrieb zu halten“, erzählt Ristić. Und Eichner war es auch, der gemeinsam mit Münter frühe Werke Kandinskys und Archivalien des Blauen Reiters in Zeiten der nationalsozialistischen Barbarei versteckte. Diese schenkte Münter 1957 dem Lenbachhaus in München, ebenso eigene Werke. Wurde sie damals noch eher als Stifterin denn als Künstlerin gefeiert, so erlebt die Betrachtung ihres Œuvres aktuell einen Boom. Als Fixstern der Moderne wird sie nun bezeichnet. Man müsse sehen, heißt es aus dem Leopold Museum, dass sie zwar nie im Zen trum der Avantgardebewegungen ihrer Zeit war, aber immer dabei – und dass die genauere Betrachtung der „Ikonen des deutschen Expressionismus“, wie einige ihrer Arbeiten genannt werden, lohnen, die auf Form und Farbe, Schlichtheit und Harmonie fokussiert sind. Gabriele Münter Retrospektive Leopold Museum Bis 18. Februar 2024 täglich außer Di 10-18 Uhr www.leopoldmuseum.org
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