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DIE FURCHE 04.01.2024

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DIE FURCHE · 1 2 Das Thema der Woche Wenn Zorn regiert 4. Jänner 2024 AUS DER REDAKTION Voll Zuversicht: Wie sonst soll man in ein neues Jahr starten? Herausforderungen gibt es 2024 schließlich genug. Die demokratiepolitisch größte ist die US-Präsidentschaftswahl am 5. November. Wie sehr dieser Urnengang das Land schon jetzt zerreißt, zeigt der Fokus „Wenn Zorn regiert“ von Brigitte Quint – samt Trump-freundlichen O-Tönen aus den Südstaaten. Man muss nicht alles verstehen, aber man kann es immerhin versuchen. In der Ukraine zeichnet sich indes weiter kein Frieden ab. Stefan Schocher blickt zehn Jahre nach Beginn der „Euromaidan“-Proteste zurück. Und Thomas Götz liefert einen Rück- sowie Ausblick auf Österreichs Innenpolitik. Im Kompass finden Sie neben neuen Einsichten zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten, einem Essay zum Anthropozentrismus sowie einer Geschichte über US-Ordensfrauen im Kampf gegen die Waffenlobby (auch das gibt es jenseits des großen Teichs!) Nachrufe auf jene prägenden Persönlichkeiten, die zwischen den Jahren verstorben sind: Jacques Delors, Wolfgang Schäuble und zuletzt Trautl Brandstaller. Anton Pelinka erweist seiner damaligen FURCHE-Redaktionskollegin seine Reverenz. Als Ergänzung empfehle ich Wolfgang Machreichs Beitrag über die französische FURCHE, Le Sillon, im Feuilleton. Hier finden Sie neben Oliver vom Hoves brillantem Essay über Marco Polo sowie Beiträgen über gefühlte Zeit und KI-Prognosen auch Neues über Johnny Cash. Ja, auch das ist bzw. war Amerika. (dh) Neuauflage eines Duells Den Sieg Joe Bidens 2020 hat Donald Trump bis heute nicht eingestanden (im Bild ein Autokino mit der TV-Konfrontation vom 22. Oktober 2020). Das Revival 2024 droht noch schlimmer zu werden. Von Andreas G. Weiß Lahme Enten, unglaubwürdige Heldenfiguren und eine große Bedrohung: warum die US-Wahl 2024 die Demokratie vor enorme Herausforderungen stellt. Politisches Patt Lesen Sie zum Kapitol-Sturm von Andreas G. Weiß auch: „USA: Der entheiligte Stolz einer ganzen Nation“ (20.1.2021) auf furche.at. Der Ring steht bereit. Wenn am 5. November 2024 planmäßig die Präsidentschaftswahl in den USA über die Bühne geht, wird erfahrungsgemäß ein knappes Rennen und ein harter Kampf um das Oval Office erwartet. Wer tatsächlich für die beiden Großparteien ins Rennen gehen wird, ist – offiziell zumindest – noch offen, vieles deutet aber auf eine Neuauflage des Duells zwischen Joe Biden und Donald Trump hin. Dieses erneute Aufeinandertreffen lässt jedoch nichts Gutes für die Zukunft erahnen. Nicht nur die beiden mutmaßlichen Kandidaten kämpfen nämlich, sondern auch die beiden Großparteien stehen vor erheblichen Problemen. Die Kontrahenten zeigen Risse im poli tischen System auf, beide machen die bevorstehende Entscheidung zu einer eigentlich aussichtslosen Wahl. Ein Donald Trump verliert niemals, ein Donald Trump vergisst niemals – wenn sich in den letzten Jahren ein Charakterzug des ehemaligen Präsidenten und Immobilientycoons bestätigt hat, dann dieser. Trump hat weder seine Niederlage von 2020 eingestanden noch irgendeine Form von Zurückhaltung gegenüber seinen politischen Gegnern (inner- und außerhalb seiner Partei) erkennen lassen. Im Gegenteil: 2024 soll sein Jahr der Rache werden. „Nur am ersten Tag“ seiner neuen Amtszeit würde sich Trump als Diktator sehen, meinte er wörtlich vor Kurzem in Iowa gegenüber dem Fox News-Moderator Sean Hannity. Was eigentlich als eine zurückhaltende Antwort gedacht war – schließlich sei es ja nur ein Tag –, lässt jedoch die Alarmglocken bei zahlreichen Beobachtern im In- und Ausland schrillen. Ein Wahlsieg Trumps, der nach derzeitigem Stand alles andere als unwahrscheinlich erscheint, könnte eine noch viel größere Gefahr für die Demokratie Amerikas sein als seine erste Amtszeit, deren Ende mit dem „Sturm auf das Kapitol“ am 6. Jänner 2021 ein Schockerlebnis im amerikanischen Selbstbewusstsein markierte. Wer vor dem Hintergrund dieser Ereignisse aber von einem erneuten Sieg für den amtierenden Präsidenten Joe Biden ausgeht, „ Vielleicht hätte Joe Biden den Weg für eine neue Generation freigemacht. Nun stellt er sich doch der Wiederwahl, verlängert so aber die Orien tierungslosigkeit der Demokraten. “ irrt gewaltig. Biden ist angeschlagen, seine Umfragewerte sind im Keller, er ist innenpolitisch wie auch außenpolitisch ohne große Erfolge geblieben, seine Politik erwies sich in zahlreichen Situationen auch aufgrund von Widerstand aus seinen eigenen Reihen als zahnlos. Die Enttäuschung ist vielen Kreisen in den USA anzumerken, Biden am unteren Ende der „ewigen Beliebtheitsskala“ für die men in charge zu finden. Nur eine Anti-Trump-Bewegung? Dass gerade er gegen Donald Trump in den Ring steigen möchte, ist bezeichnend: Laut eigenen Angaben wäre er möglicherweise gar nicht mehr zur Wahl angetreten, wenn sein Gegner nicht Trump wäre. Vielleicht hätte er den Weg für eine neue politische Generation freigemacht. Nun stellt er sich wahrscheinlich doch einer möglichen Wiederwahl, verlängert so aber auch die innerparteiliche Orientierungslosigkeit der demokratischen Partei, die sich in den letzten Jahren nurmehr als Anti-Trump-Bewegung darstellen konnte. Bidens Auftreten wirkt oftmals wie aus der Zeit gefallen, er steht für eine längst vergangene Politik. Selbst innerparteilich. Eine alternative Strategie, ein neues Narrativ demokratischen Selbstverständnisses gibt es derzeit Foto: Getty Images / Liu Guanguan/China News Service nicht. Auch die einstmals starke Bewegung um den linksgerichteten Bernie Sanders hat im demokratischen Lager viel von ihrer früheren Kraft eingebüßt. Dies alles spielt erneut Donald Trump in die Hände: Sein Stil der ignorierten Niederlage, seine unberechenbare Art, seine unüberlegten Attacken und unbelegten Behauptungen scheinen ihn nach wie vor unangreifbar zu machen. In den republikanischen Vorwahlen bewegt sich der „Trump-Express“ bereits wieder auf einer Welle der Euphorie, in landesweiten Umfragen hängt er Biden derzeit um mehrere Prozentpunkte ab. Die republikanische Partei tut sich schwer, Trump loszuwerden – vielleicht möchte sie das aber auch gar nicht. Im aktuellen Höhenfug Trumps setzt sich vielmehr jenes Paradoxon fort, das den politischen Quereinsteiger seit 2016 begleitet hat: Er spricht trotz seiner zweifelhaften Biografie, seiner Eskapaden, politischen Fettnäpfchen und undemokratischen Alleingänge besonders jene konservative Wählergruppe an, die sich als Bewahrerinnen und Bewahrer der amerikanischen Werte sieht. Trump steht nicht nur in seiner Person, sondern auch in seiner Amtsführung für eine Politik der Widersprüchlichkeit: Seine Wählerinnen und Wähler nehmen missliebige Charakterzüge und politische Tiefschläge in Kauf, weil sich Trump in symbolpolitisch wichtigen Fragen (etwa bei Abtreibung oder Einwanderung) auf ihre Seite stellt. Gerade die evangelikalen Gruppierungen stehen hierbei aber vor einer Gewissensfrage: Wie wichtig werden manche Themen eingeschätzt, welche Risiken ist man gewillt, für deren Erreichung einzusetzen? Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind seit einiger Zeit bereits ständige Zerreißproben für die beiden Großparteien: Sowohl Trump als auch Biden prolongieren dieses Dilemma für ihre Bewegungen. Schon 2020 haben zahlreiche Stimmen gespottet, die Kandidaten wären die schlechtestmöglichen Optionen, die Neuaufage des Duells verspricht nichts Besseres. Sowohl Trump als auch Biden kommen aus einer betagten Generation. Trump hat mittlerweile mit seinen knapp 78 Jahren jenes Alter erreicht, dessentwegen er Joe Biden vor drei Jahren noch lächerlich zu machen versuchte. Biden wäre bei einer erneuten Vereidigung sogar schon über 82 Jahre alt. Viele Wählerinnen und Wähler können sich mit dem Bild solcher Kandidaten nicht mehr anfreunden oder gar identifizieren. Duell zweier lame ducks Beide Kontrahenten wirken farblos, ihre Botschaften konzentrieren sich fast ausschließlich auf mögliche Untergangsszenarien, sollte die jeweilige Gegenseite gewinnen. Wie ihre tatsächliche Amtsführung nach einem Wahlsieg aber aussehen würde, bleibt fraglich: Wer das Duell 2024 gewinnt, droht in der Realpolitik ständig wechselnder, hauchdünner Mehrheiten im Kongress, nicht zuletzt aber wegen des ohnehin sicheren Ausscheidens nach der zweiten Amtszeit zu einer lame duck, eine lahmen Ente, zu werden, noch bevor die Angelobung überhaupt stattgefunden hat. Hinter den Fassaden der beiden parteipolitisch gefärbten und personenzentrierten Kampagnen steht aber auch die umso größere Bedrohung, dass die Politikverdrossenheit in den USA und damit auch das öffentliche Desinteresse und die ständig wachsende Polarisierung der Wählerblöcke, weiterhin zunehmen. Beide Kandidaten stehen für enttäuschte Erwartungen ebenso wie für falsche Hoffnungen. Es ist ein Aufeinanderprallen unglaubwürdig gewordener Heldenfiguren. Die politische Pattstellung, die durch das erneute Duell der beiden Langzeitkandidaten und ihrer unterschiedlichen Politstile offenbar wird, scheint letztlich immer unlösbarer zu werden. Der Autor ist Erwachsenenbildner, Theologe und Publizist in Salzburg.

DIE FURCHE · 1 4. Jänner 2024 Das Thema der Woche Wenn Zorn regiert 3 Die US-Justiz verhängte harte Strafen gegen die Kapitol-Stürmer, während rechte Verschwörungstheorien den Angriff verharmlosen. Indes steigt die Gefahr, dass auch die Demokraten auf einen knappen Wahlausgang 2024 mit Gewalt reagieren, meint US-Experte Johannes Thimm. „Linke lügen nicht so schamlos“ Das Gespräch führte Wolfgang Machreich Dass US-Präsident Joe Biden keinen anderen demokra tischen Präsidentschafts kandidaten zulässt, nennt Johannes Thimm einen Fehler. Bei einer Wiederwahl Trumps hält der deutsche Experte für US-Politik ein „Schreckensszenario“ für möglich. DIE FURCHE: Herr Thimm, der genau drei Jahre zurückliegende Sturm aufs Kapitol in Washington hat zu hunderten Verurteilungen mit teils hohen Strafen gegen die Rädelsführer geführt. Genügt das, um künftig ähnliche Eskalationen zu verhindern? Johannes Thimm: Das Bild der Beteiligten am 6. Januar 2021 war sehr gemischt. Das reichte von paramilitärischen Radikalen bis zu naiv Hineingeratenen, die sich mitreißen ließen. Eine Bandbreite gab es auch bei den fake electors, den illegitimen Wahlleuten, die Donald Trump unterstützten. Die US-Justiz hat sich unnachgiebig gezeigt – und ich meine, die gravierenden juristischen Konsequenzen entfalten eine abschreckende Wirkung. Dass sich in einer ähnlichen Situation wieder viele Menschen beteiligen, ohne zu wissen, was sie tun, halte ich für nicht mehr möglich. Radikale und Naive Die Kapitol-Stürmer vom 6. Jänner 2021 waren eine sehr gemischte Truppe: paramilitärisch organisierte Radikale, genauso wie naiv Hineingeratene, die sich mitreißen ließen. Zumindest für die zweite Gruppe rechnet Johannes Thimm damit, dass die harten Strafen in Zukunft eine abschreckende Wirkung zeigen. DIE FURCHE: Das wäre eine gute Nachricht, denn ein knapper Wahlausgang scheint auch bei der kommenden US-Präsidentenwahl wahrscheinlich. Thimm: Was mir Sorge macht, ist, wenn der Wahlausgang beim nächsten Mal so knapp wird, dass man diesen legitimerweise anfechten kann. Ich denke an eine Wiederholung des Szenarios vom Jahr 2000 bei der Wahl zwischen George W. Bush und Al Gore. Da ist es in Florida um einige Hundert Stimmen gegangen. Am Ende hat der Oberste Gerichtshof eine zweifelhafte Entscheidung getroffen und Bush zum Wahlsieger gemacht. Das ging damals nur deshalb so glatt über die Bühne, weil Gore diese Gerichtsentscheidung trotz großer Zweifel am Richterspruch zum Wohl der Demokratie akzeptiert hat. DIE FURCHE: Das wäre heute anders? Thimm: Ja – und ich denke, auf beiden Seiten. Sollte Trump wiedergewählt werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass das wieder mit einer Minderheit der absoluten Stimmen geschieht; dass er also die Mehrheit der Wahlleute gewinnt, ohne dass die Mehrheit der Bevölkerung für ihn gestimmt hätte. Ich bin mir nicht sicher, ob die demokratische Wählerschaft eine solche Konstellation ohne weiteres schlucken würde und es nicht eher zu Unruhen käme. DIE FURCHE: Gibt es auf demokratischer Seite einen ähnlich radikalen Flügel, wie wir ihn von den Trump-Anhängern kennen? Thimm: Nicht im gleichen Maße: Die radikalen und stark bewaffneten Milizen sind auf der rechten Seite viel stärker verbreitet. Gewaltbereite radikale Linke hat man zwar vereinzelt bei den „Black Lives Matter“-Protesten gesehen. Doch es ist ein Trend, dass sich die Amerikaner quer durch alle politischen Richtungen und auch die Minderheiten vermehrt bewaffnen. Da beobachte Foto: SWP-Berlin Foto: Getty Images / Samuel Corum Johannes Thimm ist Amerika- Forscher der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. ich auch eine Veränderung auf der linken Seite. Die möchte ich nicht mit den militärartigen Übungen und Waffenarsenalen der radikalen Rechten gleichsetzen, aber das Potenzial für Unruhen, die von links ausgehen, wächst. Der große Unterschied ist: Die linke Seite ist eher faktenbasiert, Verschwörungstheorien grassieren viel stärker unter den Rechten. DIE FURCHE: Woran liegt das? Thimm: Die linken Medien lügen nicht so schamlos, wie das die rechten tun – an vorderster Stelle Fox News. Es gibt auch kein linkes Äquivalent zu Fox, dem mit Abstand quotenstärksten Nachrichtensender in den USA. Neben dem Mythos von der gestohlenen Wahl haben sich auch um die Ereignisse vom 6. Januar Mythen und Verschwörungstheorien gebildet. Die sind im Internet und in den sozialen Medien vertreten, wurden aber auch von Fox News weiterverbreitet. DIE FURCHE: Wie lautet der Mythos vom Kapitol-Sturm konkret? Thimm: Das gesamte Bildmaterial der Überwachungskameras aus dem Kapitol, hunderte Stunden, wurde dem Kongress zur Verfügung gestellt, und die Republikaner haben es an Fox News weitergegeben. Fox nützte dieses Material, um Zusammenschnitte zu erstellen, die den Sturm auf das Kapitol als Art harmloses Happening herunterspielen, die Vorwürfe als völlig überzogen darstellen. Und die zweite Erzählung zum 6. Januar lautet, dass die Linke unter anderem mit Unterstützung des FBI diesen Protest angestachelt hat, um die Konservativen zu diskreditieren. DIE FURCHE: Und das wird geglaubt? Thimm: Geglaubt wird abhängig davon, in welchem Medienuniversum man sich aufhält und aus welcher Quelle man seine Informationen bezieht. Diejenigen, die an die gestohlene Wahl glauben, glauben auch, dass der 6. Januar nicht so schlimm war oder von den Linken angezettelt wurde. „ Donald Trump hat einen autoritären Charakter. Wenn man ihn lässt, dann wird er den durchsetzen. Er hat schon einmal versucht, an der Macht zu bleiben. “ DIE FURCHE: Für Trump ist auch die Anklageflut gegen ihn eine linke Inszenierung. Wie gefährlich können ihm die Prozesse am Ende werden? Thimm: Vor allem die drei Verfahren um seine Rolle am 6. Januar, die Mitnahme geheimer Dokumente und sein Versuch, das Wahlergebnis in Georgia zu fälschen, können ihm gefährlich werden. Da sehe ich guten Chancen, dass er verurteilt wird. Die große Frage ist aber: Wann? Wahrscheinlich wird das nicht vor der Wahl sein. Sollte er diese gewinnen, ist wieder alles offen. Ob man amtierende US-Präsidenten verurteilen kann, ist sehr umstritten. Ein Präsident Trump wäre zudem gegenüber dem Justizministerium weisungsbefugt. Das erklärt seine Priorität, wiedergewählt zu werden: um sich vor den Verfahren zu schützen. Und es könnte tatsächlich so sein, dass er damit durchkommt. DIE FURCHE: Was erwarten Sie bei seiner Wiederwahl? Thimm: Ein echtes Schreckensszenario! Wir dürfen nicht glauben, dass Trumps Der Artikel „QAnon: Trumps Sturmtruppen“ vom 13. Jänner 2021 beschrieb die Verschwörungstheoretiker-Szene hinter dem Sturm aufs Kapitol; nachzulesen unter furche.at. zweite Amtszeit wie die erste wird. Die „Heritage Foundation“, ein sehr konservativer Thinktank, hat sich zum Erfüllungsgehilfen Trumps gemacht und eine 900-Seiten-Anleitung verfasst, was alles passieren muss, damit ein nächster repu blikanischer Präsident seine Agenda effizienter durchsetzen und besser gegen Widerstand vorgehen kann. Trump hat einen autoritären Charakter. Wenn man ihn lässt, dann wird er den durchsetzen. Er hat schon einmal versucht, an der Macht zu bleiben. DIE FURCHE: So wie Trump bei den Republikanern scheint Joe Bidens Kandidatur für die Demokraten festzustehen. Gab bzw. gibt es denn keine Alternative? Thimm: Ich halte es für eine wahltaktisch falsche Entscheidung, aber Biden lässt niemand anderen ran. Dabei gäbe es demokratische Gouverneure, zum Beispiel in Michigan (Gretchen Whitmer) oder Pennsylvania (Josh Shapiro, Anm.), die bewiesen haben, dass sie in Wechselwählerstaaten gewinnen können. Aber es gibt eben die Tradition: Einen Präsidenten, der noch einmal antritt, fordert man parteiintern nicht heraus. Neben dem üblichen, in der US-Politik verbreiteten Altersstarrsinn traut Biden das Amt wohl auch aufgrund der Weltlage keinem anderen zu. DIE FURCHE: Hilft die angespannte Weltsituation eher Biden oder Trump? Thimm: Die meisten Wähler entscheiden nach innenpolitischen Themen. Wahltaktisch ist der Nahost-Krieg ein Problem für Biden. Unter jüngeren Wählern und den Minderheiten ist die Solidarität mit den Palästinensern groß. Die werfen Biden vor, er übe zu wenig Druck auf Israel aus. Da könnte er am linken Flügel Wähler verlieren. Moderate und konservative Demokraten verlangen wieder mehr Unterstützung für Israel. Biden ist also in der Zwickmühle. Das macht seine Wiederwahl schwieriger.

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