40 · 3. Oktober 2024 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 80. Jg. · € 6,– „Ich erhebe meine Stimme“ Hat das Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul das Land verändert? · Seite 24 Hässlich sein? Verboten! Bühne für das Fremde Das Urgestein der Radiounterhaltung Botoxbehandlungen und Co. boomen. Der von sozialen Medien befeuerte Selbstoptimierungstrend ist nur einer der Auslöser. · Seite 13 Die Kunstbiennale widmet sich in Venedig heuer einem äußerst aktuellen Thema: „Foreigners everywhere!“ · Seite 17 100 Jahre Radio in Österreich: Hörspiele haben eine lange Tradition. Doch gehen sie heute in der Flut von Inhalten unter? · Seite 20 Weitere Stimmen zur Wahl – von Anton Pelinka, Eric Miklin, Julia Mourão Permoser, Hans Förster, Barbara Prainsack und Philipp Axmann – lesen Sie auf den Seiten 6–9 sowie 14–15. Das Thema der Woche Seiten 2–5 und 10–12 Herbert Kickls FPÖ hat die Nationalratswahl fulminant gewonnen. Doch 70 Prozent haben den selbsternannten „Volkskanzler“ nicht gewählt. Nebst aller nötigen Selbstkritik muss man diesem Votum für die liberale Demokratie Rechnung tragen. Wessen Wille geschehe? Foto:APA / Georg Hochmuth Foto: APA / AFP / Ahmad Gharabli Spirale der Vergeltung Ein Jahr nach dem genozidalen Massaker der Hamas in Israel eskaliert die Situation im Nahen Osten. Ein Fokus zum 7. Oktober und seinen Folgen mit Stimmen von Dan Ashbel, Tom Segev und Markus Bugnyár. AUS DEM INHALT Wie viel Gewissen braucht Politik? Gewissensentscheidungen werden als Grundlage politischer Entscheidungen gesehen. Das ist nicht immer zielführend, wie ein christliches Beispiel zeigt. Seite 9 Von Doris Helmberger „ Auf die ÖVP kommt es nun an, Wort zu halten und sich nicht dem Willen von Lobbygruppen zu beugen. “ tale) Transformation und die Herausforderungen der Migrationsgesellschaft mit einer verklärten, ja esoterisch anmutenden Gegenerzählung aufzufangen. Ein „Familienvater“, der als „Werkzeug“ den „Willen des Volkes“ geschehen lasse. Das Ressentiment als rechtspopulistische Essenz ist aber geblieben: Nun werden auch die „Besserwisser“ – neben den „Eindringlingen“ – zu Feindbildern erklärt. Die Pannen der Coronapandemie spielen Kickl dabei in die Hände. Taktik – oder Verantwortung? Nun stellt er den Kanzleranspruch, den „Fehler“ Haiders wird er nicht wiederholen. Verwehrt man ihm dies, wird das seine Erzählung vom bösen „System“ befeuern. Das weiß die ÖVP, die demnächst in Vorarlberg und der Steiermark zwei Landeshauptmannsessel verteidigen muss und deshalb – taktisch klug – auf Einhaltung der Usancen pocht. Wohl wissend freilich, dass Alexander Van der Bellen die Ernennung Kickls zum Kanzler (und man selbst eine Zusammenarbeit) dezidiert ausgeschlossen hat. Tatsächlich gibt es keinen Automatismus, wonach die stimmenstärkste Partei den Kanzler stellen müsse: Artikel 70, Absatz 1 der Bundesverfassung sieht nur vor, dass Es war Anfang Oktober 1999, als Jörg Haider auf dem Stephansplatz sein Wahlkampffinale zelebrierte. Neben der Bühne stand ein junger Mitarbeiter aus Kärnten, der angesichts all der Euphorie „eine Gansl haut“ bekam. Am Sonntag darauf erreichte Haider tatsächlich 26,9 Prozent – und landete hinter der SPÖ von Viktor Klima auf dem zweiten Platz. Wie es weiterging, ist Legende: Bundespräsident Thomas Klestil gab zwar Klima den Regierungsbildungsauftrag, Wolfgang Schüssel schmiedete aber derweil ein Bündnis mit den Blauen – und wurde als Dritter Kanzler. 25 Jahre nach Haider stand vergangene Woche sein einstiger Mitarbeiter selbst auf dem Stephansplatz. „Was wäre dem Land erspart geblieben, wenn es einen Kanzler Haider gegeben hätte?“, rief er ins Glockengeläut des Steffl. „Diesen Fehler werden wir nicht noch einmal machen.“ Nun hat Herbert Kickl den Triumph seines Idols mit rund 29 Prozent der Stimmen noch übertroffen. Sein fulminanter Erfolg ist das Ergebnis der Schwäche seiner Gegner – aber auch einer über Jahre konsequent verfolgten Strategie. Wie kein anderer versteht es Kickl, den Frust durch Kriege, Krisen, Teuerung, (digider Bundespräsident den Bundeskanzler ernennt. Das setzt freilich „ein Mindestmaß an Vertrauen in die handelnden Personen“ voraus, wie Van der Bellen betonte. Er selbst werde darauf achten, „dass die Grundpfeiler der liberalen Demokratie respektiert werden: Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft“. All dies widerspricht im Kern einem Kanzler Kickl. Vor allem: Der selbsternannte „Volkskanzler“ weiß zwar rund 29 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich. Mehr als 70 Prozent haben ihn aber nicht gewählt. Was also nun? Die Aussicht auf „das Beste aus drei Welten“ in Türkis, Rot und Magenta (oder Grün) ist mäßig inspirierend. Zumal es angesichts der Herausforderungen – Stichwort Budgetdefizit – eine tatkräftige Reformregierung braucht. Das Warnlicht der deutschen Ampel leuchtet grell nach Österreich. Auch ist das Schicksal von Karl Nehammer und Andreas Babler weiter fraglich. Die Strategie des Letzteren, durch klassenkämpferische Töne wieder die breite Masse zu gewinnen, kann als gescheitert betrachtet werden. Auch dank Querschüssen aus den eigenen Reihen. Insgesamt droht eine „Italianisierung“ Österreichs, wie Anton Pelinka vermerkt (vgl. S. 6–7). Dennoch: Die Alternative – Herbert Kickl am Ballhausplatz – zwingt zu Kreativität und Kompromissfähigkeit. Insbesondere auf die ÖVP kommt es nun an, gegenüber ihren Wählern Wort zu halten und sich nicht dem Willen mächtiger Lobbygruppen zu beugen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. doris.helmberger@furche.at Vom Vatikan entführt Der Kinofilm „Die Bologna-Entführung“ erzählt von der Verschleppung des siebenjährigen jüdischen Knaben Edgardo Mortara durch Schergen von Papst Pius IX. Seite 12 Trotzdem einen Apfelbaum pflanzen Hubert Gaisbauer über die Entscheidung, bei der Wahl dem Gewissen oder einer Strategie zu folgen – sowie über Hoffnung und einen ehelichen Kompromiss. Seite 14 Ein psychotisches Paar Wer von Joaquin Phoenix’ Performance als Serienmörder Arthur Fleck noch nicht genug hat, kann ihm mit Lady Gaga im Film „Joker: Folie à Deux“ neu begegnen. Seite 21 „Big Brother“ aus dem Weltraum Heute schicken auch private Unternehmen Satelliten ins All. Mithilfe spezieller Technik hat die Überwachung von oben eine neue Dimension erreicht. Seiten 22–23 @diefurche @diefurche furche.at @diefurche Die Furche Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
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