DIE FURCHE · 31 14 Diskurs 3. August 2023 ERKLÄR MIR DEINE WELT Ich bin ein Sammler im eigenen Garten Den gesamten Briefwechsel zwischen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger können Sie auf furche.at bzw. unter diesem QR-Code nachlesen. Hubert Gaisbauer ist Publizist. Er leitete die Abteilungen Gesellschaft- Jugend-Familie sowie Religion im ORF-Radio. Den Briefwechsel gibt es jetzt auch zum Hören unter furche.at/podcast Mit dem neuen „Barbie“-Film haben Sie mich in ein Dilemma gestürzt. Ich muss hier öffentlich beichten, dass ich ein Barbie-Hasser war. Die Gründe dafür waren teils ideologischer – ich hatte mich der feministischen Gegnerschaft angeschlossen –, teils ästhetischer Natur. Kommentar überflüssig. Es muss vor fünfzig Jahren gewesen sein, wie die Recherche bei meinen Töchtern ergab. Meine beiden Töchter bekamen trotz meines Widerstandes je eine Barbie geschenkt – und ich soll getobt haben. Ideologie hat also über Toleranz und Vater güte gesiegt. Damals. Heute tut mir dies wirklich leid. Aber den Film werde ich mir nicht anschauen. Nicht einmal als Buße zwecks Absolution. So viel zu einem Schatten der Vergangenheit, geworfen von einem magersüchtigen japanischen Machwerk. Aus Ihrem Brief habe ich auch ein neues Vokabel gelernt: Ageismus, die negative Bewertung eines Menschen aufgrund seines Alters. Was ich manchmal erlebe, löst höchstens unangenehme Gefühle verweigerter Selbsterkenntnis aus. Wenn etwa eine junge Frau (oder, seltener, ein junger Mann) in der U-Bahn aufsteht, um mir den Sitzplatz zu überlassen. Ich befinde mich ja altersmäßig ziemlich genau zwischen zwei Männern. Der eine sitzt in der Hofburg in Wien, der andere im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Beide zeigen keine Spur von Ageismus. Dass ihre Rufe in der Wüste weitgehend folgenlos verhallen, ist dem Starrsinn der Adressaten geschuldet. Hier gendere ich ganz bewusst nicht, denn: This is a man’s, man’s, man’s world ..., die uns jetzt mit allen möglichen Katastrophen Nachhilfeunterricht gibt. Mitte der fünfziger Jahre des vorigen „ Ich finde manche vor Jahren achtlos und unvollendet zur Seite geschobene Textfragmente oder Notizen und entdecke ein ganz junges Schimmern darin. “ Jahrhunderts findet man im „Lexikon für Theologie und Kirche“ unter dem Stichwort „Alter“ noch folgenden Satz: „Die Abnahme der vitalen Kräfte macht das geistige Leben schwächer und unkritisch“ – daraus folge dann eine diffuse Mischung aus Angst, Passivität und einsetzender Verblödung. Vierzig Jahre später, im gleichen Lexikon: „Die Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter wurde widerlegt – hingegen gibt es eine eigene ‚Kompetenz des Alters‘.“ Da bin ich dabei. Ich habe manche erfreuliche Seite des Altseins entdeckt: Ich erlebe mich jetzt oft als Sammler im eigenen Garten. Dankbar. Ich finde manche vor Jahren achtlos und unvollendet zur Seite geschobene Textfragmente oder Notizen und entdecke ein ganz junges Schimmern darin. Jetzt ist die Zeit, sie zu vollenden. Wie Unkraut auf schönen Leibern Die frühgriechische Dichtung ist voll von Klagen über das Altwerden. Die Poetin Sappho wandelt vor 2500 Jahren die Versuchung zur Resignation des Alterns in eine neue Qualität. Sie beschließt, sich mit ihrer Kunst ihre Sonne selbst zu verschaffen, und sagt zu sich selbst: „So nimm denn die Leier … Ich liebe den Glanz: dies wurde mein Teil im Leben, hell, strahlend und schön ist dies mein Los, weil ich die Sonne liebe!“ So viel zur Schönheit. Ich möchte aber mit einer Frage (die damit entfernt zu tun hat) schließen, die schon lange in den Augen schmerzt: Was halten Sie von den – wie Unkraut auf schönen Leibern – wuchernden Tattoos? Ich komme damit überhaupt nicht zurecht! Seien Sie sehr herzlich gegrüßt. Von Johannes Steiner Es gibt genug zu essen, schrieb Jean Ziegler 2014 in In FURCHE Nr. 28 „Wie kommt der Hunger in die Welt?“. Das war die gute 3800 10. Juli 2014 Nachricht. Die Realität sah und sieht anders aus. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Russlands Rückzug aus dem internationalen Abkommen für Getreideexporte übers Schwarze Meer kritisiert. „Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, auf Schärfste“, teilte Stoltenberg nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche mit. Die Verbündeten stünden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite. Die Getreidekrise hat gezeigt, wie fragil die Lage ist, wenn es um die Welt ernährung geht. Der Autor Johannes Steiner hat sich in der FURCHE 2014 bereits Gedanken dazu gemacht. Jean Ziegler hält im Buch „Wie kommt der Hunger in die Welt?“ eindrücklich die Agonie verhungernder Kinder fest: „Gestorben wird überall gleich. [...] Der Todeskampf folgt immer denselben Etappen. Bei unterernährten Kindern setzt der Zerfall nach wenigen Tagen ein. Der Körper braucht erst die Zucker-, dann die Fettreserven auf. Die Kinder werden lethargisch, dann immer dünner. Das Immunsystem bricht zusammen. Durchfälle beschleunigen die Auszehrung. Mundparasiten und Infektionen der Atemwege verursachen schreckliche Schmerzen. Und der Hunger wäre gegessen Dann beginnt der Raubbau der Muskeln. Die Kinder können sich nicht mehr auf den Beinen halten. Ihre Arme baumeln kraftlos am Körper. Ihre Gesichter gleichen Greisen. Dann folgt der Tod.“ Die Bilder dazu haben wir alle im Kopf. Frauen, Kinder sowie ältere Menschen trifft es dabei besonders hart. Sind schwangere Frauen unterernährt, führt dies bei ihren Babys zu geistigen und körperlichen Defiziten. Kann das schon geschwächt auf die Welt kommende Baby nicht ausreichend gestillt werden, folgt bald der Tod. Überhaupt geht man davon aus, dass unzureichende Ernährung für 45 Prozent aller weltweiten Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich ist. Alle zehn Sekunden stirbt statistisch gesehen ein Kind. Wenn Sie also diesen Artikel fertig gelesen haben, wird eine Volksschulklasse elend zugrunde gegangen sein. Falls die betroffenen Kinder überhaupt in den Genuss einer Schulbildung gekommen wären, was zu bezweifeln ist. Vielfältige Ursachen Die Ursachen für Hunger sind vielfältig. Hunger ist ein bösartiges Problem, aber immerhin ein Problem, welches man langfristig lösen könnte. Wir sollten also nicht das Handtuch werfen. Die Hoffnung, dass man das Hungerproblem lösen könnte, gab es schon. Aufgrund von Fortschritten in der Lebensmittelproduktion (1940er bis 1970er Jahre, „Grüne Revolution“) konnte man die landwirtschaftlichen Erträge um ein Vielfaches steigern. Der Pflanzenzüchter Norman E. Borlaug (1914–2009) erhielt Foto: Shutterstock für seine Weizenhochleistungs sorten 1970 sogar den Friedensnobelpreis, da durch seine Entdeckungen Millionen von Menschen vor dem Hungertod bzw. vor Konflikten im Zuge von Hungerrevolten bewahrt werden konnten. Andererseits werden viele Erfolge durch kriegerische Aktivitäten, Misswirtschaft, die Folgen des Klimawandels oder unvorhersehbare Katastrophen zunichte gemacht. AUSGABEN DIGITALISIERT VON 1945 BIS HEUTE ÜBER 175.000 ARTIKEL SEMANTISCH VERLINKT DEN VOLLSTÄNDIGEN TEXT LESEN SIE AUF furche.at Medieninhaber, Herausgeber und Verlag: Die Furche – Zeitschriften- Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG Hainburger Straße 33, 1030 Wien www.furche.at Geschäftsführerin: Nicole Schwarzenbrunner, Prokuristin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Chefredakteurin: Mag. Doris Helmberger-Fleckl Redaktion: Dr. Otto Friedrich (Stv. Chefredakteur), MMaga. Astrid Göttche, Dipl.-Soz. (Univ.) 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DIE FURCHE · 31 3. August 2023 Diskurs 15 Angesichts der Hitze den Gedanken zu verdrängen, dass künftig jeder Sommer so und schlimmer wird, hilft wenig. Was wirklich hilft, ist: neue Wege wagen, für andere einstehen, Gemeinschaft. Ein Plädoyer. Greifbare Visionen einer idealen Welt ZUGESPITZT Kicken mit Kickl Die sommerlichen Hitzewellen beunruhigen uns gleich mehrfach: Klarerweise sind sie ein Hinweis auf die Klimakrise, in der wir uns befinden. Und sie erinnern uns daran, dass wir gemeinsam noch nicht geklärt haben, wie wir darauf reagieren. Wie bekämpfen wir sie? Wird die Bekämpfung uns arm machen? Und werden andere Länder, die weitermachen wie bisher, wirtschaftlich an uns vorbeiziehen? Oder macht uns das Ignorieren erst recht arm, und bleiben wir irgendwann auf unserer fossilen Technologie sitzen, während man anderswo saubere Energie in die ganze Welt verkauft? Beunruhigend ist auch, wie gefährdet der gesellschaftliche Zusammenhalt scheint – Unruhen in Frankreich, diktatorische Verhältnisse in Ungarn, extremistische Parteien, denen es ums Unruhestiften geht, in Deutschland und Österreich. Nicht zu reden von einem nahen Krieg. Dazu kommt, dass die Klimakrise schon heute gesellschaftliche Spannungen vergrößert. Dürren und Naturkatastrophen treffen vulnerable Gruppen am schlimmsten, der Schaden ist ungerecht verteilt. Strom vom eigenen Dach Es liegt an uns, eine Gesellschaft zu schaffen, die uns gut gefällt. Ich lade Sie ein, kurz in sich zu gehen und sich eine ideale Gesellschaft vorzustellen. Es sind vielleicht eher nur Bilder, von grünen Auen, von Wasser, von Ruhe. In meiner idealen Welt verwirklichen sich drei Elemente: – Füreinander Sorge tragen. In der Welt, in der wir leben möchten, kümmert man sich umeinander. Wir sorgen gemeinsam für die, die Hilfe benötigen. Und dürfen uns gleichzeitig auch bedürftig zeigen, weil wir wissen, es kümmert sich jemand auch um uns. – Neues wagen dürfen. Sich angenommen fühlen. Jeder und jede darf Fehler machen. Wir sind rege, wir sind lebendig, wir trauen uns, Dinge auszuprobieren. Die perfekte Welt nimmt uns mit unseren Fehlern und Fehleinschätzungen an und lässt uns mutig sein. – Gemeinsam sein. Das Wichtigste für den Menschen ist die Gemeinschaft. Solange man nicht allein ist, hält man fast alles aus. Wir werden so bald nicht auf grünen Auen lagern. Aber als Christinnen und Christen ha- Foto: IsabellaEjder ben wir den Auftrag, das uns Mögliche zu tun, um dem guten Leben möglichst nahe zu kommen. Und anhand der drei Begriffe Anwaltschaft, Avantgarde, Vergemeinschaftung wird die Vision handfest und greifbar – so greifbar, dass man heute schon anfangen kann. Die Avantgarde verlangt ein neues Denken von uns. Wir stehen vor vielen Herausforderungen. Wir dürfen uns aber darauf verlassen, dass der Mensch gerne Dinge ausprobiert. Denn: Es braucht neue Muster. Und es gibt sie. Dezentral denken ist ein Beispiel dafür. Wir waren es in den letzten fünfzig Jahren gewohnt, alles zentral zu bekommen: Energieversorgung, Essen DIESSEITS VON GUT UND BÖSE Von Katharina Renner „ Durch Avantgarde, Anwaltschaft und Vergemeinschaftung wird die Vision vom guten Leben schon heute handfest. “ vom Supermarkt. Das ändert sich in den letzten Jahren, auch unterstützt durch die Digitalisierung. Es gibt heute eine Vielzahl an Anbietern, die etwa Produkte von Bauern anbieten, ohne lange Lieferwege, dezentral organisiert, regional, saisonal. Energiegemeinschaften sind ein weiteres Beispiel für das neue Denken. Oder den eigenen Strom auf dem eigenen Dach zu produzieren, selbst zu nutzen oder zu verkaufen. Wir brauchen solche neuen Ideen, und ich glaube, wir alle können ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem sie wachsen können. In einer idealen Welt (also die mit den grünen Auen) probiert man neue Ideen einfach aus. Anwaltschaftlichkeit und Gemeinschaft, die anderen beiden Elemente, gehen Hand in Hand. Der Mensch ist auf Gemeinschaft ausgerichtet. In der Gemeinschaft wachsen Ideen, die sich den neuen Herausforderungen stellen. Menschen, die sich aufgenommen, integriert fühlen, sind weniger anfällig für Extremismen. Eng verbunden mit der Gemeinschaft ist das „Dasein füreinander“: Armut oder Ausgrenzung machen einsam. Und Einsamkeit verstärkt Armut und Ausgrenzung. Armutsbetroffene ziehen sich zurück, aus Scham und dem Gefühl heraus, selbst schuld an der Notlage zu sein. Und auch wenn sie wollten: Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ihnen schwer möglich. Ein Besuch im Freibad kostet. Jemanden nach Hause einzuladen, setzt gute Wohnverhältnisse voraus. Fehlt der Kontakt zu anderen Menschen, verfestigt sich Armut oft, weil man weniger leicht an Informationen kommt. Arbeitssuche, Wohnungssuche, Kinderbetreuung, günstige Mahlzeiten und Lebensmittel, schnelle Hilfestellung bei Notfällen: Für all das ist ein tragfähiges soziales Netz essenziell. Plauderbankerl und Klima-Oasen Aber auch hier gibt es einfache, aber wirkungsvolle Ideen. Zum Beispiel das Plauderbankerl, eine Initiative der Caritas – ein Bankerl, zentral gelegen, vor der Kirche (oder auch am Friedhof!). Eine Plakette darauf mit der Aufschrift: Wer hier sitzt, unterhält sich gerne! Mehr braucht es nicht, um zu signalisieren: Hier darf man in Kontakt kommen. Ähnlich die Klima-Oasen. In kühlenden Pfarrgärten geben sie die Möglichkeit, sich bei erfrischenden Getränken und kleinen Snacks besser kennenzulernen. Es braucht bloß einen Pfarrgarten, ein paar Heurigengarnituren und Freiwillige, die die Gäste empfangen und bewirten. Als Gemeinschaft brauchen wir Orte, wo man sich trifft, wo man (konsumfrei) zusammenkommt. Die heutigen Herausforderungen sind nur gemeinsam lösbar. Wir brauchen Kreativität und Offenheit – nicht viel mehr. Die Autorin ist Theologin, Soziologin, arbeitet bei der Caritas und ist ehrenamtliche Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich. Wäre Herbert Kickl (FPÖ) ein Fußballer, hätte er längst die rote Karte kassiert. Eine wichtige Institution des Spiels als „senile Mumie“ zu beflegeln, würde wohl ähnliche Folgen zeitigen wie seinerzeit der Kopfstoß von Zinédine Zidane im WM-Finale von 2006. Abgesehen von herben Fouls zeigte Kickl aber auch, dass er nicht gewillt ist, wissenschaftliche Befunde zur Kenntnis zu nehmen – wie wenn ein Stürmer stur behaupten würde, dass für ihn die Abseitsregel nicht gilt. Kurz gesagt: Der Mann eignet sich nicht für Österreichs Nationalteam. Um zu verhindern, dass er dort in die Kapitänsrolle schlüpft, sollten sich die heimischen Politkicker auf ein Packel hauen. Werner Kogler (Grüne) ist zwar schon ein bisschen langsam, aber ein erfahrener Libero. Karl Nehammer (ÖVP) mangelt es bekanntermaßen an Einfällen, aber seine Disziplin ist groß. Mit zusammengebissenen Zähnen organisiert er das Mittelfeld. Als neuer Stürmer wäre dann übrigens der ungestüme Andi Babler (SPÖ) aufgestellt. Wie sein Vorbild Andi Ogris („der Grimmige“) ist er immer für ein Tor gut! Fehlt nur noch Beate Meinl-Reisinger (Neos). Die weilt derweil mit Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Frauenfußball-WM in Australien und Neuseeland. Kann weiblicher Spielwitz Kickl ein Gurkerl bescheren? „Schneckerl“ Prohaska weiß: Ja, aber nur mit einem „All-Star-Team“. Martin Tauss Die Quint-Essenz macht bis 16. August Sommerpause. Eine Auswahl an Kolumnen von Brigitte Quint finden Sie anhand dieses QR-Codes auf der FURCHE-Homepage. NACHRUF Priester, Islamwissenschafter, Koran-Übersetzer Lage ist schwierig geworden. Der angestrebte Dialog zwischen Christen und Muslimen „Die wird immer wieder durch Ereignisse der Weltpolitik, durch die Militanz fundamentalistischer Gruppierungen, durch nicht ausreichend begründete Entscheidungen lokaler Vertreter religiöser Gemeinschaften oder durch nicht durchdachte Äußerungen politischer Akteure belastet. Wir sind kaum aus den Startlöchern herausgekommen, da werden wir unsanft zurückgeworfen. Dies gilt sowohl für Christen als für Muslime.“ Solcher Satz könnte dieser Tage genauso gesagt werden. Tatsächlich findet er sich bereits in der FURCHE vom 16. März 1995. Sein Autor, der Islamwissenschafter Adel Th. Khoury, gehörte nicht nur zu den herausragendsten Vertreter seiner Zunft, sondern war auch Vorreiter des christlich-muslimischen Dialogs, über dessen Hindernisse – siehe oben – er sich wohl bewusst war. Der Priester der griechisch-katholisch-melkitischen Kirche wurde 1930 im libanesischen Tebnine geboren. Nach dem Studium der Philosophie, Theologie und Orientalistik in Beirut und Lyon habilitierte er sich mit einer Arbeit über den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos. Diese Arbeit ist deswegen bekannt geworden, weil sie Papst Benedikt XVI. bei seiner – von muslimischen Stimmen stark kritisierten – Regensburger Rede 2006 zitierte. Dabei war Khoury das genaue Gegenteil eines Islamkritikers. Als Professor für Religionswissenschaft und Leiter des diesbezüglichen Seminars an der Universität Münster (1970–1993) gehörte er zu den führenden christlichen Islamkennern. Sein Opus magnum ist die 1987 erstmals aufgelegte und von ihm selbst kommentierte deutsche Koran-Übersetzung, die bis heute eine der relevantesten Übertragungen im deutschen Sprachraum darstellt. Er übersetzte auch Hadithe und gab bei Herder die zehnbändige „Kleine Bibliothek der Religionen“ (1995–2001) heraus. Der persönlich bescheidene Geistliche und Wissenschafter wurde von den größten Autoritäten islamischer Gelehrsamkeit als Gesprächspartner geschätzt. Den Dialog zwischen Christentum und Islam bezeichnete Khoury trotz aller Schwierigkeiten als „einzige annehmbare Alternative zu einer verlustreichen Konfrontation“. Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb Adel Th. Khoury bereits am 14. Juli in Bonn. Er stand im 94. Lebensjahr. (Otto Friedrich) Foto: Franz Josef Rupprecht Adel Th. Khoury gehörte zu den renommiertesten Islamkennern im deutschen Sprachraum. Der melkitische Priester übersetzte auch den Koran.
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