31 · 3. August 2023 DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 79. Jg. · € 4,– Vom Mythos der Normalität Der Arzt und Bestsellerautor Gabor Maté über unsere toxische Kultur, die die psychische Gesundheit schädigt. · Seite 13 „FPÖ gefährdet Österreichs Sicherheit“ Gesichter des Zusammenhalts Salzburg, wie es spielt, scheitert und jubelt Thomas Starlinger, österreichischer Militärvertreter bei EU und NATO, über die Neutralität, „Sky Shield“ und die NATO-Zukunft. · Seiten 5–6 DIE FURCHE holt „Systemerhalterinnen“ vor den Vorhang. Zum Auftakt spricht Bianca Sünbold über ihr Leben als Intensivpflegerin. · Seiten 9–10 Vier Mal Festspiele: Verdis „Macbeth“, Mozarts „Le nozze di Figaro“, Lessings „Nathan der Weise“ und „Liebe (Amour)“. · Seiten 18–19 Das Thema der Woche Seiten 2–4 Unbedingtes Gewissen Deckel der Urne Franz Jägerstätters mit dem Geburts- und dem Hinrichtungsdatum. Katholik und Nationalsozialist sein – das geht nicht zusammen. Für diese Überzeugung ging vor 80 Jahren Franz Jägerstätter in den Tod. Foto: FFJI/Bildersammlung (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger) Foto: APA / dpa / Patrick Seeger Walsers Wege und Abwege Der streitbare „Großschriftsteller“ hat die deutschsprachige Nachkriegsliteratur geprägt – und heftige Debatten ausgelöst. Nun ist Martin Walser 96-jährig gestorben. Ein Nachruf von Anton Thuswaldner. Seite 17 „Frische Impulse“ und „Offenheit für das Unvorhersehbare“ wurden jüngst in Lissabon und Salzburg beschworen. Doch gerade den Jungen wird das schwergemacht – in Politik wie Kirche. Jugend als Zumutung AUS DEM INHALT Die mystische Erhöhung „Präfaschistoid“ sei das Gerede von „den Normalen“, meinte Vizekanzler Kogler. Doch was meint „Faschismus“ überhaupt? Eine Analyse nach Umberto Eco. Seite 7 Von Doris Helmberger Bis zu 1,5 Millionen sollen kommen – aus 184 Ländern, aus allen Kontinenten, aus aller Welt. Nach vier Jahren Coronapause ist die Sehnsucht nach Gemeinschaft, und ja, auch nach Event, denkbar groß geworden. Und der diesen Mittwoch in Lissabon gestartete und noch bis Sonntag dauernde katholische Weltjugendtag ist zweifellos ein solches Event. Neben allem gemeinsamen Singen und Beten geht es eben auch darum, eine Auszeit zu erleben und am Ende vielleicht sogar den Papst zu sehen – jenen alten, weißen Mann, der wie kaum ein anderer die Sprache der Jungen beherrscht und ihre Sorgen und Nöte versteht. Auch und gerade hinsichtlich ihrer Zukunft auf diesem Planeten. „Jugendliche sind die VIPs der Kirche“, meinte der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler im Vorfeld des Weltjugendtags beim „Österreich-Treffen“ in der Deutschen Schule von Lissabon. Es gehe nun darum, auch für den Alltag frische Impulse zu liefern, das Feuer des Glaubens neu zu entzünden und die „Buntheit“ des Weltjugendtags zu nutzen, um die „Vielstimmigkeit der Kirche“ kennen und schätzen zu lernen. „ Gegenüber den Jungen herrschen Verständnisprobleme. Österreichs Politik tendiert sogar zur Feindseligkeit. “ Goldene Worte, die freilich ihren praktischen Niederschlag erst finden müssen. Nicht nur das Thema Missbrauch liegt als Schatten über dem Weltjugendtag, auch die innere Zerrissenheit einer globalen Institution, die zwischen vatikanischen Machtkämpfen, lebensweltlicher Entfremdung und freikirchlichen bzw. reaktionären Anfechtungen um ihre Zukunft ringt. Wie groß die Ratlosigkeit auch und gerade im Vatikan ist, hat Ende Juni ein Besuch österreichischer Journalistinnen und Journalisten gezeigt. Die junge Generation sei kaum mehr zu erreichen, klagte damals Kurienerz bischof Rino Fisichella, immerhin Pro-Präfekt im Evangelisierungsdikasterium. „Wir sprechen nicht mehr ihre Sprache“, erklärte er – und hielt dabei ein Smartphone hoch. Zudem gebe es in den Familien kaum mehr den „Willen, den Glauben weiterzugeben“. Woran das liegen könnte? Schweigen. Nur noch „Klimakleber“? Nicht nur in der Kirche, auch in der Politik herrschen massive Verständnispro bleme gegenüber der jungen Generation. In Österreich tendiert man derzeit sogar zu Ignoranz, ja Feindseligkeit: Dass die Probleme der Jungen bei der legendären „Rede zur Zukunft der Nation“ von Bundeskanzler Karl Nehammer nur in Form von „Klimaklebern“ zur Sprache kamen, deren „Untergangsapokalypse“ man im „Autoland“ Österreich bekämpfe, sprach Bände. Dass der Kanzler zuletzt die – nervigen, aber gewaltfrei agierenden – Aktivistinnen und Aktivisten in eine Reihe mit rechtsextremen Identitären und islamistischen Hasspredigern stellte, macht indes nur noch sprachlos. Auch bei den jüngsten großen politischen Reden im Rahmen der Salzburger Festspiele kamen die Jungen nur am Rande vor. Dezidiert angesprochen wurden sie nur von Nobelpreisträger Anton Zeilinger, der in den Schulen für mehr persönliche Begegnung und weniger Digitalisierung warb – und insgesamt für mehr „Offenheit für das Unvorhersehbare“. Für eine solche – wie auch für den „begründeten Optimismus“, den der Bundespräsident beschwor – braucht es freilich e ine ernsthaftere Politik und mehr Chancen für die Jungen; nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch in Sachen Generationengerechtigkeit (Stichwort Pensionserhöhung um zehn Prozent) und der existenziellen Frage des Klimaschutzes. Den Jungen nicht nur Mut zuzusprechen, sondern sie auch nicht weiter wie eine Zumutung zu behandeln: Darum ginge es – auch in der Kirche. Dass der Start des Weltjugend tages und der „Welterschöpfungstag“, an dem alle jährlichen Ressourcen aufgebraucht sind, am 2. August zusammenfielen, kann dafür ein Weckruf sein. doris.helmberger@furche.at Was geht in Frankreich vor? Das Erbe der Kolonialkriege, stadtplanerisches Versagen und ein fragwürdiges Polizeikonzept: über die Ursachen der jüngsten Gewaltexzesse in den Banlieues. Seite 8 Zeitreisen ist ein Handwerk Die Experimentalarchäologie erlaubt neue Einblicke in das Leben unserer Vorfahren. Mit vollem Körpereinsatz geht man auf Tuchfühlung mit der Vergangenheit.Seite 12 „Ich bin ein Sammler im Garten“ In seinem neuen Brief an Johanna Hirzberger schreibt Hubert Gaisbauer über seine Barbie-Aversion und das Sammeln als „Kompetenz des Alters“. Seite 14 Handfeste Visionen Eine bessere Welt kann greifbar werden, meint Katharina Renner im „Diesseits von Gut und Böse“ – durch Avantgarde, Anwaltschaft und Vergemeinschaftung. Seite 15 furche.at Österreichische Post AG, WZ 02Z034113W, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien DIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 Wien Telefon: (01) 512 52 61-0
Laden...
Laden...
Ihr Zugang zu neuen Perspektiven und
mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte.
© 2023 DIE FURCHE