DIE FURCHE · 2712 Diskurs3. Juli 2025ZEITBILDOrbáns Ende?Foto: APA / AFP / Attila KisbenedekVerbiete ich etwas, mache ich es nur noch interessanter:Jeder, der selbst Kinder hat, kennt diese goldene Regelder Erziehung. Eigentlich hätte es Viktor Orbán, ungarischerMinisterpräsident und fünffacher Vater, also besserwissen müssen, als er vor einigen Monaten die Durchführungder Pride Parade per Gesetz verbieten ließ. Das Ergebnisam Wochenende war beeindruckend, als, je nachdem,wo man nachfragt, 100.000 bis 200.000 Menschen durch dieBudapester Innenstadt marschierten und trotz des Verbotsein Zeichen für die Rechte von LGBTQ-Menschen setzten.„Mit der Pride hat die Opposition gegen Gesetze aufgewiegelt,die ihr nicht gefallen, Ungarns Souveränität verhöhnt und –mit ausländischer Unterstützung – versucht, uns die wokeKultur aufzuzwingen“, kritisierte die ungarische Regierungdie EU. Ohne Zweifel waren viele EU-Parlamentarier, auchaus Österreich, extra zur Pride in die ungarische Hauptstadtangereist. Unbestritten ist aber auch, dass die Bilderder friedlichen Demonstrierenden eine herbe Niederlage fürOrbáns Politik darstellen.Ob die Pride als Symbol für den Anfang vom Ende des„Systems Orbán“ etwas taugt, wie es manch Kommentatorbereits erkennen möchte, bleibt abzuwarten. Denn letztlichlebt das Gros der Fidesz-Wähler auf dem Land und bekommtvon dem bunten Treiben, wenn überhaupt, nur in den staatlichkontrollierten Medien etwas mit. (Till Schönwälder)So einfach warein Tresor nochnie zu öffnen:Einfach aufrubbelnund gewinnen„Mega Tresor“mit bis zu250.000 EuroInhaltMächtig präsentiert sich dasneue Rubbellos der ÖsterreichischenLotterien, nichtnur optisch und von Format,sondern auch von der Höhe desHauptgewinnes: Bis zu 250.000Euro sind zu gewinnen, unddieses Geld ist in einem Tresoraufbewahrt. In einem Tresorzum Aufrubbeln. „Mega Tresor“lautet der Name des neuen Loses,und dieser Tresor lässt sichgleich über vier separate Spieleöffnen. Dabei kann man auchgleich bis zu viermal gewinnen.IHREMEINUNGSchreiben Sie uns unterleserbriefe@furche.atPrüfet alles!Von Till SchönwälderNr. 26, Seite 1Haben Sie hier meinen herzlichenDank für Ihren offen-kritischenBeitrag! Gott sei Dank gibt es sowichtige Persönlichkeiten wie Sie,die sachlich und mutig Missständeaufzeigen und dadurch klare und umfassendeInformationen anbieten!Marianne Weiß, via MailWo bleibt die Aufarbeitung?Von Christian FelberNr. 25, Seite 5schen Altersheimen einfach sterbenlassen, dies ist gut dokumentiert.Auch innerhalb Schwedens gab esübrigens viel Kritik am „schwedischenWeg“. Dass es nicht zu vielhöheren Todeszahlen kam, liegt vorallem am Willen der schwedischenBevölkerung, sich an Empfehlungender Politik zu halten.Dann gibt es noch das Thema LongCovid und ME/CFS, das auch inSchweden ein großes Problem darstellt.Diese Spätfolgen rühren vonwiederholten Infektionen, die wissenschaftlichbasierte Maßnahmenhätten verhindern können (StichwortLuftfilter in Schulen, Maskentragenbei Infektion etc.).Lockdowns und Masken sowieImpfungen retten Leben und sind einwichtiger Bestandteil in der Bekämpfungvon Epidemien/Pandemien.Der größte Fehler der Coronazeitwaren nicht sie, sondern die Politisierungebendieser Maßnahmen.Anabel Rasper, via Mailwie obenVielen Dank für diesen Beitrag. DieFrage „Wo bleibt die Aufarbeitung?“ist angesichts des oft bemühten„Pandemieargumentes“ in Zusammenhangmit dem Budgetdefizit mehr alsAls Studentin der Public Health binich sehr unglücklich, dass ein Mediumwie DIE FURCHE einer Person mitkeinerlei Ausbildung in Epidemiologie,Virologie oder Medizin den Raumgibt, falsche Fakten zu verbreiten.Der erste Lockdown hat in Österreichviele Leben gerettet, zu dieser Zeithat man die Menschen in schwediberechtigt.Ich kann nur hoffen, dasses nicht dabei bleibt, in der FURCHEüber wissenschaftliche Evidenz zudiesem Thema zu lesen.Dr. med. Christian Euler (vier Malgeimpft, kein FPÖ-Mitglied), via MailRoter Teppich für die MullahsVon Wolfgang MachreichNr. 26, Seite 3Es ist lobenswert, dass BundespräsidentKlestil und Kardinal König vor25 Jahren bemüht waren, einen politisch-religiösenDialogkanal mit demIran zu eröffnen, den die Hardlinerin Teheran leider nicht nützten. DasHauptübel, dass das Mullah-Regimeüberhaupt an die Macht kommenkonnte, liegt jedoch darin, dass imJahr 1953 der demokratisch gewählteMinisterpräsident Mossadegh, einSozialdemokrat, mit Hilfe des US-Geheimdienstes gestürzt wurde – einwesentlicher Faktor, der leider nieerwähnt wird.Karl Semmler, via MailFehlgeleitetes PlastikrecyclingVon Ilja Steffelbauer und Simon J.Hoefer, Nr. 24, Seite 22Vielen Dank für den informativenBeitrag. Mikroplastik kann schwerwiegendeAuswirkungen auf unserenKörper haben. Eine einzige Fleecejackekann bis zu eine Million Plastikfasernpro Waschgang freisetzen, dieirgendwann im Meer landen. Dortschlucken Fischlarven, Pfeilwürmeroder Krebstierchen die Plastikpartikel.Das Material wird in der Nahrungsketteweitergegeben und landetwieder auf unseren Tellern und somitin unserem Körper.Ing. Harald Schober, via MailAlltag und Tragödie sind NachbarnVon Philipp AxmannNr. 25, Seite 18Ich bin Kanzler an einer deutschenFachhochschule, der TechnischenHochschule Brandenburg, und meineher seltenes Spezialgebiet für dieseverantwortungsvolle Tätigkeit ist dasBedrohungsmanagement, kurz BM.BM beschäftigt sich mit vielen Bedrohungen,und sehr oft hat es direktoder indirekt mit psychischenErkrankungen zu tun. Amok alsThema gehört auch zum BM.Das ist ein sehr bewegender undschöner Artikel, der auf unterschiedlicheWeise auch zum Nachdenkenanregt. Großes Lob! Klasse geschrieben!Steffen Kissinger, via MailNeben dem Hauptgewinn inHöhe von 250.000 Euro gibt esnoch zahlreiche weitere Treffervon 5 Euro bis 10.000 Euro.Unter jeder der vier Rubbelflächenbefinden sich Geldbeträge.Rubbelt man in einem Spieldreimal den gleichen Betragauf, hat man diesen einmalgewonnen.Die „Mega Tresor“-Serie bestehtaus 800.000 Losen, diezum Preis von 10 Euro proStück in allen Annahmestellenerhältlich sind. Die Ausschüttungsquotebeträgt 61%, dieChance auf einen Gewinn beträgt1:2,34.Mit dem Rubbellos „Mega Tresor“ biszu viermal gewinnen.Foto: © Österreichische LotterienIN KÜRZERELIGION■ Kirchliche KlimawarnungWISSEN/POLITIK■ Offener Brief der „S4F“GESELLSCHAFT/RELIGION■ Sektenbericht 2024GESELLSCHAFT/WISSEN■ Diabetes: Frauen im NachteilMit einem dramatischen Appell hat ein großesBündnis katholischer Bischöfe, ausgehendvom Vatikan, vor den Auswirkungender Klimakrise gewarnt. „Die Kirche wirdnicht schweigen“, so heißt es in der am 1. Julivom Vatikan verbreiteten Botschaft. Manwerde weiterhin gemeinsam mit der Wissenschaft,der Zivilgesellschaft und denSchwächsten die Stimme erheben, „bis Gerechtigkeithergestellt ist“, heißt es anlässlichdes anstehenden COP30-Gipfels in Brasilienim November. Die katholische Kirchedrängt unter anderem darauf, die PariserKlimaziele umzusetzen und die Erderwärmungauf 1,5 Grad zu minimieren.Die Rücknahme klimaschädlicher Maßnahmenim Mobilitätsbereich fordern mehr als100 Wissenschafterinnen und Wissenschafterin einem offenen Brief der „Scientists forFuture Österreich“ von der Bundesregierung.Die NOVA-Befreiung für kleine Nutzfahrzeugeund die Erhöhung des Pendlereurostünden in diametralem Gegensatz zuBeschlüssen zur Treibhausgas reduktion.Hintergrund: Während sich die globaleDurchschnittstemperatur bis heute um 1,5Grad Celsius erhöht hat, liegt die Erhitzungim Alpenraum bereits 3,1 Grad über demvorindustriellen Niveau, so der aktuelleSachstandsbericht zum Klimawandel.Die Zahl der gemeldeten Fälle zu sektenähnlichenGruppierungen ist laut Bundesstellefür Sektenfragen stark gestiegen. 2024wurden 483 Beratungsfälle und fast 2000Kontakte verzeichnet – ein Plus von 20 bzw.36 Prozent. Besonders oft ging es um Esoteriksowie einen europaweiten Trend zu missionierendenchristlichen Gruppen. Auchproblematische Online-Coachings nahmenzu: Sie vermitteln oft toxische Männlichkeitund verlangen teils hohe Summen. ExpertinUlrike Schiesser warnte im Familienausschussvor wachsender Kindesgefährdung,etwa durch radikale Online-Inhalte oder Ferienangeboteohne Qualitätssicherung.Bei Frauen wird Diabetes später diagnostiziert,und sie sind bei Krankheitsbeginnoft schwerer betroffen als Männer. Daraufweisen die Wiener Experten Michael Leutnerund Alexandra Kautzky-Willer (MedUniWien/AKH) hin. Diabetikerinnen erhaltenseltener eine intensive Behandlung. GeschlechtsspezifischeFaktoren wie Hormone,Schwangerschaftsdiabetes oder Menopausewerden oft vernachlässigt. Frauen leidenzudem häufiger unter Diabetes- Distress,Depressionen und Angststörungen. Auchihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungenist erhöht. 2021 litten weltweit fast 540Millionen Menschen an Typ-2-Diabetes.
DIE FURCHE · 273. Juli 2025Literatur13Von Veronika SchuchterDie Tage der deutschsprachigenLiteratur,auch bekannt alsBachmannpreis, warendurch das ihnenzugrundeliegende Konzept schonimmer ein Seismograf gesellschaftlicherStimmungen. Da sitzenvierzehn Autorinnen undAutoren, die in ihren Texten transportieren,was ihnen in diesemMoment relevant erscheint. Daskann sehr persönlich sein oderauch politisch, aber nichts davonpassiert im luftleeren Raum. Undihnen gegenüber oder auch mit ihnen,je nach Sichtweise, sitzen dasieben Jurorinnen und Juroren,die schon im Vorfeld auswählen,die auf die Texte reagieren und dieebenfalls aus keiner Blase kommen,sondern beim Lesen und Bewertenbeeinflusst sind von derWelt, die sie umgibt.Diese ist, das kann man wohl,ohne eines übertriebenen Alarmismusbezichtigt zu werden,sagen, in Aufruhr. Rechts undlinks schießen die Autokratienaus dem Boden, die Rechte vonFrauen und Minderheiten sindunter Beschuss, Krieg als Mittelder Wahl im Konfliktfall wird zunehmendnormalisiert. Natürlichstimmt es nicht, dass Autokratienaus dem Boden schießen, daspassiert schleichend, ein kollektivesBoiling-Frog-Syndrom hatuns ergriffen, und jetzt spürenwir plötzlich die Hitze. Dass eswortwörtlich immer heißer wird,was auch den Protagonistinnenvor Ort in Klagenfurt zu schaffenmachte, gerät da fast schon zurRanderscheinung.Man könnte nun die Meinungvertreten, in so einer Weltlagesei ein Wettbewerb wie der Bachmannpreisvon vernachlässigbarerBedeutung. Literatur sei nichtso wichtig. Mehr als jemals sonststellt sich demnach die Frage, wasdie Literatur überhaupt bewirkenkann. Ob sie überhaupt etwas bewirkenkann, und wenn ja, wie.Diese Fragen wurden auch mehrals nur einmal in der medialenBegleitung des Preises und auchvon den Beteiligten selbst gestellt.Die Antwort darauf fiel auf mehrerenEbenen kraftvoll aus.Der Juryvorsitzende KlausKastberger trat in seinem mutigenEröffnungsstatement den radikalenund mitunter politischmotivierten Kürzungen im Kulturbereichentgegen, von denenauch der Bachmannpreis betroffenwar, so fiel der jährlicheSchreibkurs für den literarischenNachwuchs Streichungen zumOpfer. Er verwies auch auf daskulturelle Klima in seinem HeimatbundeslandSteiermark untereinem blauen Landeshauptmann.Umso wichtiger sei es, auf dieKraft der Literatur hinzuweisen,so Kastberger: „Kaum eine andereKunstform besitzt mehr Resilienzals die Literatur.“Auch Nava Ebrahimi, Bachmannpreisträgerindes Jahres2021, setzte sich in ihrer Eröffnungsredeunter dem Titel „DreiTage im Mai“ mit dem aktuellenZustand der Welt auseinander:„Beinah täglich, scheint es, verschiebensich Grenzen. Grenzendes Sagbaren, Grenzen des Machbaren.Beinah täglich bauen wirmenschlich ab, senken wir unsereethischen Standards, gewöhnenwir uns an neues Leid. Heuteist der 25. Juni und ich fürchtemich davor, einen Text vom12. Mai vorzutragen und zu sehen,Foto: Johannes PuchDie Texte der 49. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, anderen Ende Natascha Gangl mit dem Bachmannpreis ausgezeichnet wurde,zeigten, dass man der polarisierten Weltlage mit Komplexität trotzen kann.Vom Zu(ge)hörenwo wir uns seitdem hin entwickelthaben.“ Wer diese Sätze hörte,den musste wohl ein Schauerergreifen, im Wissen darum, wassich alles zugetragen hat in diesensechs Wochen, welche Grenzensich tatsächlich schon wiederverschoben hatten. Ebrahimisdeutsch-iranische Herkunft verstärktedieses Gefühl noch.Breites SpektrumDas thematische Spektrumder vorgetragenen Texte war gewohntbreit und reichte vom typischenBachmannpreisthemades Sterbens, wie Philipp Tinglerfesthielt, bis zu spezifisch zeitgenössischenPhänomenen und Entwicklungen.So ließ Max HöflerChatGPT eine fiktive YouTube-Kommentardebatte für seinenText generieren, was die Begeisterungder Jury für den Text nichtunbedingt erhöhte.Auffallend war die in gleichdrei Beiträgen zentrale Auseinandersetzungzwischen Töchternund ihren Vätern. Die von ThomasSträssle eingeladene SchweizerinNora Osagiobare erhieltden Kelag-Preis für „DaughterIs sues“, in dem es um eine Fernsehsendunggeht, in der Väterfür eine Million Euro den Kontaktzu ihren Töchtern abbrechensollten. Auch sexuelle Gewalterfahrungenkamen immer wiederzur Sprache, etwa in SophieSumburanes thematisch wichtigemText „Sickergrubenblau“,in dem sie von einem sexuellenÜbergriff nach der Betäubung mitK.-o.-Tropfen erzählt.Die 1997 geborene Tara Meisterwurde für „Wakashu oder“ mitdem erstmals vergebenen Stipendiumam Ossiacher See des CarinthischenSommers bedacht. Dieam Leipziger Literaturinstitutstudierende Österreicherin gehörtsicher zu den großen Entdeckungen2025. In einem poetischdichten Text, der gleichzeitig vieleLeerstellen lässt, mischt Meisterdie typisch österreichischeBrutalität des Aufwachsens aufdem Land mit ins Gegenteil verkehrtenGeschlechterklischees.Der 3sat-Preis ging an die vonBrigitte Schwens-Harrant eingeladene,in Wien lebende deutscheAutorin Almut Tina Schmidt. Ausvielen nicht auserzählten Versatzstückenmontiert Schmidt„Fast eine Geschichte“ über die Bewohnereines Mietshauses, wasMithu Sanyal an ein „Ali-Mitgutsch-Wimmelbild“erinnerte.Doch hinter der scheinbar harmlosenTopografie eines Wohnhausesvermittelt der präzise gebauteText auch eine Atmosphäre desUnheimlichen. Vielleicht lag esan den Leerstellen, die ein sehrgenaues Lesen erfordern, dasshier eine der bereicherndstenJury diskussionen zustande kam.Das war nicht immer der Fall, einigeTexte wirkten in der Besprechungsimpler, als sie in Wirklichkeitwaren.Kurz lief die 49. Ausgabe desBachmannpreises Gefahr, hauptsächlichwegen eines Juryeklatsin Erinnerung zu bleiben. In einerinsgesamt dieses Jahr angenehmbesonnen und sachlichagierenden Jury griff Klaus KastbergerMitjurorin Mithu Sanyalan und warf ihr in einer polemischenMaßregelung vor, sie habedie Verbrechen, die an den Judenverübt wurden, relativiert und amVortag Putin verharmlost. Um das,was Sanyal tatsächlich gesagt hatte,so zu verstehen, brauchte manschon einiges an Fantasie. Möglichkeitzur Klarstellung gab manihr danach kaum. Der Angriffging weit über das übliche undmitunter auch unterhaltsame, humorvolleJurygeplänkel hinaus.Leider zeigte sich darin das Phänomender vielbeschworenen gesellschaftlichenSpaltung, wo mit„ Eine bessere Bachmannpreisträgerin alsNatascha Gangl hätte man sich in diesemJahr gar nicht wünschen können ...“Die JurySie diskutierten drei Tage lang vor Publikum und laufenderKamera (von rechts): Philipp Tingler, Mithu Sanyal,FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte Schwens-Harrant, KlausKastberger, Laura de Weck, Mara Delius und Thomas Strässle.Lesen Sie dazuauch: „Text inder Welt: dieKriterien derLiteraturkritik“von BrigitteSchwens-Harrant,6.6.2024,furche.at.moralischem Zeigefinger scheinbarunüberbrückbare Differenzenangerührt werden, ohne einanderzuzuhören.Doch dann kam alles ganz anders,denn am Schluss setzte sichein Text durch, der genau das Gegenteilvon dieser bedenklichenDiskussionskultur einfordert undsprachlich selbst betreibt. Die vonBrigitte Schwens-Harrant eingeladene,1986 im südoststeirischenBad Radkersburg geboreneAutorin Natascha Gangl konntemit ihrem Text „DA STA“ auf ganzerLinie überzeugen. Mit großemAbstand gewann sie vor BorisSchumatsky, der sich mit demDeutschlandfunk-Preis tröstenkonnte. Der in Moskau geboreneSchumatsky, eingeladen von PhilippTingler, erzählt von einemSohn, der sich zu der in einem totalitärenSystem zurückgebliebenenMutter imaginiert. Die Juryzeigte sich beeindruckt davon,wie der Autor Sprache als Mittelder Gewalt darstelle und gleichzeitigeine Muttersprache suche,die nicht von der „Mördersprache,der Siegersprache, der Veteranensprache“korrumpiert sei,so Strässle.Jury und Publikum einigEine bessere Preisträgerin alsNatascha Gangl hätte man sich indiesem Jahr gar nicht wünschenkönnen, das zeigt allein die ungewöhnlicheTatsache, dass sich Publikumund Jury ausnahmsweiseeinig waren. Dass der Hauptpreisund der Publikumspreis an dieselbePerson vergeben werden, istausgesprochen selten. Gangl trafmit ihrem kunstvoll vorgetragenenText ganz offensichtlich einenNerv. Erwartbar war dieserSieg nicht unbedingt. „DA STA“ist weder thematisch noch sprachlichleicht zugänglich. Ästhetischund narrativ anspruchsvolle Texte,die sich konventionellen (umFORTSETZUNG AUF DER NÄCHSTEN SEITE
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