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DIE FURCHE 02.03.2023

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DIE

DIE FURCHE · 9 20 Film 2. März 2023 FILMROMANZE Verena Altenberger und Thomas Prenn in der Romanze „Sterne unter der Stadt“. Eine wundersame Welt ums Eck Eines vorweg: Im Kinodebüt des Österreichers Chris Raiber, der märchenhaft angehauchten Romanze „Sterne unter der Stadt“, sprudelt es vor Kreativität. Kaum ein paar Schritte weg von unserer ersteht eine wundersame Parallelwelt, die nur darauf wartet, darin einzutauchen. Einer ihrer Bewohner ist Alexander (Thomas Prenn). Als Kind hat er geschworen, sich nie zu verlieben. Stattdessen schaut er mit seiner Oma alte Western und füllt tief unter der Erde, wohin sich sein Vater nach dem Tod der Mutter zurückgezogen hat, die Wände mit seinen Gedanken. Sein wichtigstes Prinzip kommt ins Wanken, als Caro (Verena Altenberger) mit ihrem Hutgeschäft gegenüber seinem Fundbüro in der U-Bahn-Passage einzieht. Auf seine Weise nähert sich der scheue Alexander an und lässt sie ein in seine Welt. Schließlich ringt sie ihm das Versprechen ab, sich nicht in sie zu verlieben. Dafür ist es aber zu spät. „Sterne unter der Stadt“ mangelt es nicht an Ausstrahlung – Altenberger allein fasziniert schon mit ihrer facettenreichen Präsenz. Begleitet von Karwan Maroufs magischer Filmmusik böte jedes der Szenenbilder, jedes Kostüm, jede Figur ihre kleine eigene Geschichte. Es ließe sich also verschmerzen, dass Raibers Erstling großzügige Anleihen bei „Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Goodbye, Lenin!“ und anderen nimmt – wenn er seinen Zauber mit Natürlichkeit füllen könnte. Die verfliegt jedoch, sobald jemand zum Reden ansetzt. Ein Drehbuch voll Plattitüden und Mängel in der Schauspielführung lassen oft nur ahnen, was aus dieser Filmidee werden hätte können. Und das schmerzt in diesem Fall sehr. (Thomas Taborsky) Sterne unter der Stadt A 2022. Regie: Chris Raiber. Mit Thomas Prenn, Verena Altenberger, Margarethe Tiesel. Filmladen. 90 Min. Von Matthias Greuling Ein durchwegs umstrittener Wettbewerb, der unter dem Jury-Vorsitz von Kristen Stewart am vergangenen Wochenende seinen Abschluss fand, ist Spiegelbild für den Zustand der Berlinale. Deren künstlerischer Leiter Carlo Chatrian ist ein großer Cineast, er liebt die hohe Kunst, und das kombiniert mit einem A-Festival wie der Berlinale ergibt: Eine Werkschau von Filmen aus dem Weltkino, die es nicht bis ganz nach oben geschafft haben, nicht nach Cannes, nicht nach Venedig. Dazu Arbeiten, die bereits in der Lagunenstadt gelaufen sind („Tàr“) oder in Sundance, woher einige Titel aus dem heurigen Programm stammten. Das heißt: Die Berlinale fällt als A-Festival mit Weltpremieren zunehmend zurück, muss anderen die Erstaufführung und damit die Relevanz überlassen. Auch, dass hier fünf deutsche Filme im Wettbewerb liefen, ist kein Qualitätsmerkmal des deutschen Films, sondern eher, dass Eigenwillige Entscheidung Chatrian nicht genug hochkarätige internationale Produktionen bekam. Alles Alarmglocken, die jetzt in den Köpfen der Verantwortlichen schrillen sollten – es ist noch nicht zu spät, den Ruf der Berlinale zu retten. Aber es besteht dringend Handlungsbedarf in Richtung eines exklusiveren, hochkarätigeren Programms. Dem Vernehmen nach ist der Berlinale-Siegerfilm, „Sur l’Ada- „ Es ist noch nicht zu spät, den Ruf der Berlinale zu retten. Aber es besteht dringend Handlungsbedarf. “ Die 73. Berlinale ist mit einigen Überraschungen, nicht zuletzt mit Nicolas Philiberts „Sur l’Adamant“ als Siegerfilm, zu Ende gegangen. Und steht vor neuen Herausforderungen. mant“, ein Dokumentarfilm von Nicolas Philibert, der sich um eine Psychiatrie-Tagesklinik inmitten der Seine in Paris dreht, nur der Kompromiss-Kandidat der Jury gewesen, die sich wohl nicht auf einen Film einigen konnte. Entsprechend perplex war Philibert dann auch bei der Preisverleihung, als man ihm den Goldenen Bären überreichte: „Sind Sie sich sicher, dass Sie mir diesen Preis geben wollen“, fragte er verdutzt. Dabei ist der Dokumentarfilm Philiberts gar kein schlechter Film, im Gegenteil: Philibert, der wiederholt an Orten dreht, an denen es um Krankheit geht (zuletzt 2019 in „Zu jeder Zeit“ in Foto: APA / AFP / Tobias Schwarz Der Sieger Dokumentarfilmer Nicolas Philibert mit dem Goldenen Bären der 73. Berlinale. einer Pflegeschule), spürt ganz sensibel dem Alltag in dieser Klinik nach, zeigt psychisch kranke Menschen und ihre Abhängigkeiten von der Behandlung, fächert auf, wie vielgestaltig die Arbeit mit Patienten sein kann und welche gesellschaftliche Funktion die Behandlung für jeden einzelnen hat. Letztlich bricht Philibert das Kranksein auf einen wesentlichen Satz herunter, den er gerne in Interviews erzählt: „Wir alle sind die Kranken der Zukunft.“ Eine Distanz zum Kranksein könne sich niemand von uns ernsthaft erlauben, denn das ist der Lauf des Lebens. Was „Sur DOKUMENTARFILM „Hast du einen Körper oder bist du dein Körper?“ Vor gut fünf Jahren beeindruckte der Dokumentarfilmer Bernhard Braunstein mit seiner filmischen Studie über das „Atelier de conversation“ in Paris. Nun kommt sein Film „Stams“ über die bekannteste Kaderschmiede für Schisportler(innen) ins Kino. Zwischen April 2019 und Juli 2021 hat Braunstein Training, und Treiben in Österreichs bekanntestem Sportinternat mit der Kamera beobachtet – ein Blick in einen Kosmos, in dem alles auf körperliche Leistung hin ausgerichtet ist. Nur wenige, die hier die fünf Gymnasialjahre absolvieren (wegen des zeitintensiven Trainings ist die Oberstufe um ein Jahr verlängert), kommen tatsächlich in der Weltklasse des alpinen und nordischen Schilaufs sowie des Snowboardens an. Aber alle kasteien sich und lassen sich durch die Motivationen und Unerbittlichkeiten der Coaches zu körperlichen Hochleistungen anspornen: „Wenn die einen jungen Wahnsinnigen sehen, der sich mit Startnummer 50 oder 60 in die Top 30 fährt, seid ihr zumindest in den Köpfen der Leute.“ Mit solchen Sätzen treiben die Trainer ihre Schützlinge an. Und auch: „Hast du einen Körper oder bist du dein Körper? Kannst du Körper und Geist trennen?“ Derartiger Spruch zeigt gleichfalls, dass es auch mental stimmen muss, will man ganz oben landen. Derartiges ist auch den Schigymnasiast(inn)en, die in „Stams“ zu Wort kommen, bewusst: „Es ist immer schwer abzuwägen. Ist es wichtiger, dass ich den Schwung besser fahre oder dass ich gesund bleibe“, so eine Schülerin. Und ein anderer bringt es so Eine Jugend, die dem Hochleistungssport untergeordnet ist – aber dennoch von vielen auf sich genommen wird. auf den Punkt: „Früher hat man den Spaß und die Leidenschaft an der Sache gehabt. Und jetzt steht man auf, um 6 Uhr 30, steigt in den Bus und rauf auf die Piste.“ Bernhard Braunstein war es wichtig, dass er von der Schulleitung freie Hand beim Filmen bekam. Das spürt man in „Stams“, dem Film, auch: „Kaderschmiede“ – das Wort hat durchaus etwas Gewalttätiges an sich. Der Film stellt sich derartiger Ambivalenz. Und die jungen Leute darin, die meist nicht im Spitzensport Fuß fassen konnten, äußern sich überraschend reflektiert zu den Höhen und Tiefen der Institution. Beeindruckend. (Otto Friedrich) Stams A 2023. Regie: Bernhard Braunstein. Stadtkino. 97 Min.

DIE FURCHE · 9 2. März 2023 Film & Medien 21 In der Debatte um die (Neu-)Finanzierung des ORF ist es hilfreich, auch einen Blick ins ORF-Gesetz 2001 zu werfen – die letzte intelligente Intervention der ÖVP in Sachen ORF. Ein Gastkommentar. Totsparen darf nicht das Ziel sein l’Adament“ zu einem kleinen großen Film über das Leben an sich macht. Weder der Jury-Preis für das Psychodrama „Mal Viver“ des Portugiesen Joao Canijo noch der Regie-Preis für Philippe Garrel für „Le grand chariot“ wurde von den Fachbesuchern erwartet, auch hier hat die Jury ganz wesentliche andere Arbeiten übersehen. Filme wie „Ingeborg Bachmann“ von Margarethe von Trotta, „Tótem“ der Mexikanerin Lila Avilés oder das Debüt der US-Koreanerin Celine Song, „Past Lives“, hätten sich eine Chance verdient gehabt. Christian Petzolds Preis Das deutsche Kino konnte immerhin am Ende doch noch zweifach jubeln. Über den großen Preis der Jury für Christian Petzold und seinen Film „Roter Himmel“, der sensibel über Schreibblockaden, Künstlerfrust, verbotene Beziehungs-Lust und eine herannahende Feuersbrunst berichtet. Oder der Preis für das Drehbuch für Angela Schanelecs assoziativen Film „Musik“. Überraschend: Der Schauspielerpreis für die erst achtjährige Spanierin Sofía Otero in „20.000 especies de abejas“, die darin einen Buben spielt, der seine Identität erst finden muss und von den Erwachsenen als Mädchen behandelt wird. Otero ist die jüngste Preisträgerin, die jemals bei der Berlinale ausgezeichnet wurde. Aus österreichischer Sicht brachte die Berlinale den Bären für die beste Nebenrolle: Schauspielerin Thea Ehre erhielt ihn für ihre Darstellung einer Trans- Frau in Christoph Hochhäuslers Noir-Thriller „Bis ans Ende der Nacht“, in dem ein schwuler Undercover-Cop auf seinen Ex- Freund trifft, der nun als Trans- Frau namens Leni lebt. Eine Genre-Variation, die der 1999 in Wels geborenen Thea Ehre nun zum Sprungbrett in eine internationale Karriere werden kann. Von Franz Küberl Der ORF hat in unserem Staat ein gewaltiges Stück Verantwortung. Er schafft einen Verständigungsbogen. Für ungemein viele öffentliche Fragen. Es braucht Gefäße, um den Menschen zu den großen Fragen unserer Zeit, Ziele, Probleme, Spannungen, Wirklichkeiten wie auch Handlungsmöglichkeiten vor Augen und Ohren zu führen. Dabei soll er auch noch unterhaltsam sein. Und spannend. Alle Radiostationen haben Telefonkontaktsendungen. Tausende und Abertausende Menschen, darunter auch Einsame, Alleingelassene bekommen „Ansprache“ und Bühne für das was ihnen wichtig ist – unbezahlbarer Dienst am Zusammenhalt der Gesellschaft. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter hat große Verpflichtungen, damit möglichst viele Menschen im Land erreicht werden. Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, das zu beschreiben. Das ORF-Gesetz aus 2001 benennt 19 Schichtungen des öffentlich-rechtlichen Spektrums. Neben Information und Unterhaltung auch Religion, Wissenschaft, Gesundheit, Wirtschaft, Kultur, Sport … Viel ist „versumpert“ worden Manches Mal wäre es auch für Gebührenzahlende, politisch Tätige und Journalisten hilfreich, einen Blick in diesen Parlamentsbeschluss zu werfen. Auch Regierenden könnte das ein wenig auf die Beine helfen. Die Regierung Schüssel hat 2001 diese Gesetzesnovelle initiiert. Aufbauend auf eine umfassende Beurteilung und daraus folgender Vorschläge einer Kommission, geleitet von Gerd Bacher, dem langjährigen ORF-Chef. Diese Gesetzesnovelle 2001 war die bislang letzte intelligente Intervention der ÖVP in Sachen ORF. Dann ist viel „versumpert“ worden. Seinerzeit erhielt der ORF aus Werbeeinnahmen mehr als das Dreifache des jetzigen Volumens. Und geraume Zeit finanzierte der ORF damit die Hälfte seiner Kosten. Das ging aus einem Auftrag der Regierungen aus den 1990er Jahren hervor, dass der ORF „gefälligst“ selbst entsprechend viel Geld verdienen solle, um nicht alles über Gebühren finanzieren zu müssen. Die Bedingungen haben sich dramatisch geändert. Die Werbeeinnahmen sind – wie bei auch bei den Printmedien – sehr stark zurückgegangen. Die jetzige Debatte um den ORF lässt diese Zusammenhänge leider außer Acht. Und die zuständige Bundesministerin packt den Dreschflegel aus. Die berüchtigten 300 Millionen, die der ORF in kurzer Zeit sparen soll, entsprechen knapp einem Drittel seines jährlichen Finanzvolumens. Das riecht nach seidener Schnur für den General und dem von der aktuellen Regierung ernannten Aufsichtsgremium. Und bedient damit – will sie das wirklich? – eine heftige Debatte um Programmteile. An der sich viele Menschen beteiligen. Jeweils aus ihrer Sicht. Kaum jemand denkt daran, dass andere Menschen legitimerweise Programminteressen haben, die vielleicht diametral zu anderen sein können. Der ORF muss daher in der Lage sein, ein Vollprogramm zu liefern, das möglichst niemanden ausschließt. Und kein Spartenprogramm, das möglichst viele ausschließt. Daher braucht es ein ORF-Gesetz mit öffentlich-rechtlichen Programmaufträgen, um zu garantieren, dass die ganze Bevölkerung inhaltlichen Zugang finden kann. Ob die Bundesministerin daran gedacht hat, welche Folgen ihr politisches Wirken hat? Ob man der Kultur einen Dienst erweist, wenn das ORF-Radiosymphonieorchester dem Verfall preisgegeben wird? Wenn man dem Sport ans Schienbein tritt? Unterhaltung abqualifiziert? Weil die sogenannte Bildungsschicht mit Ö1 das Auskommen finden will? Sie denkt nicht daran, dass sie nicht alleine den Staat ausmacht. Wenn Gebühren von der Allgemeinheit eingehoben werden, muss das Programm auch für die Allgemeinheit konzipiert werden. Der ORF musste in den letzten 15 Jahren immer wieder kräftig sparen. Seit 2007 wurden 900 Mitarbeiter(innen) abgebaut. Und einige hundert Millionen gespart. Natürlich kann es für niemanden ein „es koste, was es wolle“ auf Dauer geben. Totsparen sehe ich allerdings nicht als erstrebenswertes Ziel öffentlich-rechtlicher Wirksamkeit. Dass der ORF und die Printmedien auf ein kluges Maß von Zusammenarbeit kommen sollten, FEDERSPIEL versteht sich eigentlich von selbst. Sie muss nur von allen Beteiligten gewollt werden. Inklusive neuer Formate. Dass eine Haushaltsabgabe mithelfen soll, dass alle, die den ORF erreichen können, dafür Beiträge leisten und dies nicht auf die erkannten Gebührenzahler abwälzen können, ist Teil von Steuergerechtigkeit. Sonst bröselt es im Hause Österreich Dabei sollten die derzeit auf den ORF-Gebühren lastenden Zusatzsteuern von Ländern und Bund vernünftigerweise entfallen und anders geregelt werden. Die Finanzausgleichsverhandlungen gibt es ja gerade. Das Parlament und die Regierung achten zu Recht bei Lebensmitteln, Wasser, Energieversorgung, Gesetzen, Sozialund Gesundheitspolitik, Förderungen und Subventionsvergaben auf Qualität. Denn sonst bröselt es „ Ob man der Kultur einen Dienst erweist, wenn das RSO dem Verfall preisgegeben wird? Dem Sport ans Schienbein tritt? Unterhaltung abqualifiziert? “ Geistige Tunnelsperre im Hause Österreich. Regierungen und Parlamente müssen daher auch Interesse daran haben, dass Qualität immer Maßstab in der Verbreitung von Neuigkeiten und von Berichten in allen Medien ist (spannend wäre es, wenn man die Parteimedien aller Art hier – vergleiche Parteienförderung – einbezöge). Das wären wichtige Beiträge für ein gedeihliches Zusammenleben im Land. Helfen könnte auch, wenn die Regierenden ein Medienkonzept vorlegen, wie öffentliche Förderung von Qualität, Qualitätskontrolle, Zusammenspiel und demokratisch notwendige Vielfalt gefasst werden könnten. Unter Einschluss der ungemein wuchernden Internetmedien. Die würden auch Qualitätsmaßstäbe vertragen. Die man ebenso für alle Diskussionen brauchen wird, damit die Medienzukunft besser werden kann. Wäre das wirklich so schwierig? Der Autor war Präsident von Caritas Österreich und bis 2018 ORF-Stiftungsrat. Von Peter Plaikner PRÄSENTIERT FILMMONTAG VITALINA VARELA Vitalina Varela, 55, kapverdische Hauptdarstellerin des Films von Pedro Costa, spielt sich selbst: Eine vom Leben gezeichnete Frau, die lernt, sich in der Wirklichkeit Lissabons zurechtzufinden. Ein Referenzwerk für die Filmsprache des 21. Jahrhundert ist „Vitalina Varela“, der in Locarno 2019 mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde. Otto Friedrich/DIE FURCHE und Christian Rathner/ORF zeigen und analysieren den Film. Montag, 6. März, 19 Uhr, Otto-Mauer-Zentrum, 1090 Wien, Währinger Straße 2–4. Infos: www.kav-wien.at Foto: Filmgarten Wenn der ORF ein beherrschendes Thema ist, wird es merkwürdig still auf Austro-Twitter, wo die ORF-Galionsfiguren sonst den Ton angeben. Das liegt einerseits an der Auflage, sich öffentlich in keine parteipolitische Richtung zu exponieren. Anders aber lässt sich kaum gegen die willkürlich ORF-Finanzierung und -Sparauftrag verknüpfende Medienministerin Susanne Raab argumentieren. So auswechselbar sie insgesamt wirkt, bleibt sie doch immer eine Vertreterin der ÖVP. Anders lässt sich auch nicht das eigene Aufsichtsorgan kritisieren. Denn dieser Stiftungsrat ist nur theoretisch parteifern, agiert de facto aber aufgrund einer absoluten türkis-schwarzen Mehrheit unter Vorsitz des Grünen Lothar Lockl. Er hat sich nicht einmal geäußert, als seine Parteifreundin, Mediensprecherin Eva Blimlinger, noch einer Budgetfinanzierung den Vorzug gab statt der nun fixierten Haushaltsabgabe. – Die Zwitscherstille in eigener Unternehmenssache entstammt andererseits aber einer gefährlichen Außensicht sogar der reflektiertesten Mitarbeiter von Österreichs weitaus größtem Medienhaus. Sie unterscheiden zu wenig zwischen Konstruktivität zum, Kritik am und Kampagnen gegen den ORF. Allenfalls grundsätzliche Bedenken zur parteipolitisch beeinflussten Gremien-Konstruktion werden geteilt. Dass diese aber nur der Kopf eines stinkenden Fisches sei, gilt als Subordination. Aber nicht infolge Majestätsbeleidigung von Generaldirektor Roland Weißmann. So etwas erntet nur Mitleid bis heimliche Schadenfreude. Doch die Hinterfragung der Gesamtstruktur des ORF wird in ihm durchwegs als eigennützig hinterhältiger Angriff statt als unternehmensdienliche Entwicklungshilfe betrachtet. – Solch geistige Tunnelsperren trüben sogar noch den Tunnelblick. Der ORF kann sich nicht mehr allein selbst helfen. Er braucht Hilfe von außen, um zu überleben. Die besten Kräfte von innen müssen dazu die Palastrevolution ausrufen. Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

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