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DIE FURCHE 02.02.2023

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DIE FURCHE · 5 24 Theater 2. Februar 2023 „Der Zauberberg“ im Wiener Burgtheater: Trotz reizvoller technischer Spielereien gerät das Theatererlebnis in dieser Inszenierung zur Nebensache. Verstellung und viel Video 1 Stück, 4 Darsteller Markus Meyer, Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet und Sylvie Rohrer in Thomas Manns „Der Zauberberg“. Mittels Videoprojektionen vervielfältigen sich die vier Darsteller auf 14 Figuren aus dem Roman, denen sie live ihre Stimmen leihen. Foto: Marcella Ruiz Cruz Von Christine Ehardt „ In spektakulär klarer Auflösung flimmern die Gesichter und Körper in immer neuen Maskierungen und Kostümen über die Berghänge. “ Für Marcel Reich-Ranicki war es die beste Prosaveröffentlichung aller Zeiten und der spannendste Roman der Weltliteratur. Der vor zehn Jahren verstorbene Literaturpapst attestierte Thomas Manns Epos „Der Zauberberg“ vor allem Langeweile (die er allerdings als hohes ästhetisches Gut betrachtete). Mann gab seinen 1914 begonnen und 1924 vollendeten Text die Vorgaben „bequem, lustig und auf mäßigem Raum zu machen“ mit auf den Weg. In jüngster Zeit sind nur wenige Theateradaptionen daraus entstanden. Nun hat sich Regisseur Bastian Kraft fürs Burgtheater an eine Inszenierung gewagt, die sich ganz der Langeweile auf wenig Raum verschrieben hat. Die Bühne füllt eine meterhohe Gebirgssilhouette, gezimmert aus unterschiedlichen Materialen. Dieses Bergmassiv wird von Dagna Litzenberger Vinet, Sylvie Rohrer, Felix Kammerer und Markus Meyer am Beginn des Stücks mühevoll erklommen. Ihre 1920er-Jahre-Freizeitkleidung ist in Beigetönen gehalten, die sich kaum vom weißgelben Zauberberg abheben, auf dem es zwei Stunden lang herumzuturnen, zu lungern, zu liegen und zu knien gilt. Mittels Videoprojektionen vervielfältigen sich die vier Darsteller auf insgesamt 14 Figuren aus dem Roman, denen sie live ihre Stimmen leihen. In spektakulär klarer Auflösung flimmern die Gesichter und Körper in immer neuen Maskierungen und Kostümen über die Berghänge. Kammerer, der zuletzt mit der oscarnominierten Netflix-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ international aufhorchen ließ, ist in diesen großformatigen Aufnahmen unter anderem als russische Verführung Madame Chauchat und als Lebemann Peeperkorn zu sehen. Litzenberger Vinet brilliert als lungenkranker Soldat Joachim Ziemßen, Meyer gibt den Oberarzt Hofrat Behrens ebenso wie die (Kranken-) Schwester Oberin und Rohrer darf als intellektuelles Streitpaar Settembrini und Naphta glänzen. Multimediale Zauberwelt Nur die Hauptfigur Hans Castorp bleibt im Verborgenen, sie wird abwechselnd von allen vier Schauspielern live gesprochen. Castorps Reise zu seinem Vetter Joachim in die Schweizer Berglandschaft zur Lungenheilanstalt „Berghof“ ist Ausgangspunkt der Geschichte um Müßiggang, Stumpfsinn und Abgehobenheit einer zum Untergang verurteilten bourgeoisen Gesellschaft kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Es geht um Gott und die Welt, Liebe, Tod und Vergänglichkeit. Tatsächlich ist Manns Werk zwar mit wenig Handlung ausgestattet, aber mit zahllosen Verweisen auf reale Personen, Märchenversatzstücken, literarischen und philosophischen Schlüsselwerken und gesellschaftspolitischen Strömungen der Zeit gefüllt. Aus diesem Labyrinth an intertextuellen Verweisen nimmt Kraft einzelne Schlüsselpassagen heraus, um die herum er eine multimediale Zauberwelt bastelt. Der anfängliche Reiz an den technischen Spielereien und den phantastischen Kostümierungen (grandios etwa die Verwandlung Meyers in die mondäne aber dumpfe Frau Stöhr) verfliegt allerdings schnell. Die Variationen an projizierten und live gespielten Interaktionen sind bald erschöpft. Was bleibt, ist eine endlos erscheinende Aneinanderreihung von philosophischen Gedanken und aberwitzigen Dialogen aus dem Roman sowie die Faszination für die Wandlungsfähigkeit der Schauspieler. Ein wenig Schwung kommt am Schluss ins Geschehen, wenn mittels Handkamera die inneren Schichten des Burgtheaters durchforstet werden und die Handlung mit neuen Figuren wie dem Großunternehmer Peeperkorn und dem fanatisch-faschistoiden Naphta vorangetrieben wird. Die Schauspieler führen trotz ihrer Dauer-Präsenz vor Ort und als aufgezeichnetes Bild ein Schattendasein und sind vor Ort hauptsächlich als Synchronsprecher ihrer verschiedenen Rollen wahrnehmbar. Dabei ist gerade ihre stimmliche Performance absolut beeindruckend, geben sie doch jedem der Figuren ein eigenes Stimmporträt, das mitunter in Sekundenschnelle wechselt. Diese Kunst der Verstellung kann aber leider nur schemenhaft durch die großformatigen Videoprojektionen hindurchschimmern und das Theatererlebnis gerät in dieser multimedialen Aufführung zur Nebensache. Der Zauberberg Burgtheater, 3., 4., 11.,15.2. IN KÜRZE LITERATUR ■ Peter-Huchel-Preis VERLAGSWESEN ■ Buchgroßhändler: Insolvenz MEDIEN ■ Neue Presse-Chefredaktion WISSEN ■ ÖAW: „Wiener Thesen“ Der diesjährige renommierte Peter-Huchel- Preis für deutschsprachige Lyrik geht an Judith Zander für ihren 2022 erschienen Gedichtband „im ländchen sommer im winter zur see“. Die vom SWR und vom Land Baden-Württemberg jährlich verliehene Auszeichnung ist seit heuer mit 15.000 Euro dotiert und wird jährlich am 3. April, Huchels Geburtstag, in Staufen im Breisgau verliehen. Zander breche verhärtete Redewendungen und stelle die damit einhergehende Ordnung in Frage, begründete die Jury, der auch FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte Schwens-Harrant angehörte, unter anderem ihre Entscheidung. Der zweitgrößte österreichische Buch-Großhändler, die Medienlogistik Pichler-ÖBZ, ist insolvent. Von ihr werden rund 80 große und kleine heimische Verlage betreut, jährlich wurden rund 8 Millionen Bücher ausgeliefert. Für die Verlage bedeutet das Zahlungsausfall sowie den Ausfall der Lieferbarkeit von Büchern. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels geht von einer Schadenssumme von 1,5 bis 2 Mio. Euro für die österreichische Verlagsbranche aus, und das in einem Jahr, in dem sie sich Ende April als vielfältiges, zukunftsträchtiges Gastland auf der Leipziger Buchmesse vorstellen will. Die Styria Media Group (zu der auch DIE FURCHE gehört) hat Florian Asamer zum Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse nominiert. Die Herausgeberschaft liegt künftig bei der „Die Presse Verlags-Gesellschaft“. Als Stellvertreter sollen Christian Ultsch, Chefredakteur der Presse am Sonntag und Leiter des Ressorts Außenpolitik, sowie die Wirtschaftsressortleiter Hanna Kordik und Gerhard Hofer fungieren. Laut Redaktionsstatut muss die Presse-Redaktion neuen Chefredakteurinnen und Chefredakteuren zustimmen, sie kann Kandidaten und Kandidatinnen mit Zweidrittelmehrheit ablehnen. Zum Verhältnis von Politik und Wissenschaft gibt es seit der Coronakrise viele Diskussionen. Die Wissenschaftsakademien aus Österreich und Deutschland (ÖAW und Leopoldina) stellten nun ihre „Wiener Thesen zur wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft“ vor. Die Wissenschaft soll demnach als „ehrlicher Makler“ auftreten, der evidenzbasierte Handlungsoptionen aufzeigt. Empfohlen werden fächerübergreifende Beratungsgremien. Für die Öffentlichkeit müsse dann nachvollziehbar sein, wie in diesen Gremien wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse in konkrete Empfehlungen übersetzt werden.

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