DIE FURCHE · 5 12 Religion 2. Februar 2023 DAS ERWARTET SIE IN DEN NÄCHSTEN WOCHEN. Die FURCHE nimmt in den kommenden Ausgaben folgende Themen* in den Fokus: Foto: Wikipedia (gemeinfrei) Jozef Tiso Der katholische Priester wurde zum Vasallen Hitlers – und wird von slowakischen Ultranationalisten bis heute verehrt. Ich, du, wir Nr. 7 • 16. Februar Geschichten, Erinnerungen – aber auch Ängste bilden unsere Identität. Doch was ist, wenn einem die Erinnerung fehlt oder wenn Fremde unsere Geschichte schreiben? Über gespiegelte Ichs, Klischees und das gute Kollektiv. Ein Jahr Krieg Nr. 8 • 23. Februar Am 24. Februar 2022 greift das russische Militär auf Befehl von Wladimir Putin die Ukraine von Norden, Osten und Süden her an. Geopolitisch wird eine „Zeitenwende“ eingeläutet. Über 365 Tage Krieg in Europa. Anton Hruboň, Jahrgang 1989, blickt in seinem Buch „Mythos und Kult Jozef Tisos“ – unbefangen – auf beide Ausrufungen der slowakischen Unabhängigkeit 1939 und 1993 zurück. Tisos Gloriole Visionen für die Unis Nr. 9 • 2. März Die österreichischen Universitäten werden nicht nur von Finanznöten geplagt. Auch die Karriereaussichten für junge Forschende sind oft schwierig. Eine Bestandsaufnahme und Visionssuche zum Semesterstart. Filmland Österreich Nr. 11 • 16. März Zum letzten Mal zeichnen Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger für die Diagonale, das österreichische Filmfest, verantwortlich. Zeit, Bilanz zu ziehen und einmal mehr aufs heimische Filmschaffen zu schauen. Wiederaufbau Nr. 13 • 30. März Damit die Zerstörung nicht das letzte Wort hat: über den Wiederaufbau – von Notre-Dame bis zur Ukraine – als politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Positionierung gegen die Macht von Katastrophe und Krieg. Liebe im Alter Nr. 15 • 13. April Viele ältere Menschen sind allein: Ihre Partner sterben oder sie trennen sich, neue Leute lernen sie seltener kennen. Doch die Medizin plädiert für erfüllte Beziehungen in späten Jahren und ermutigt, offen darüber zu sprechen. Pressefreiheit Nr. 17 • 27. April 2022 stürzte Österreich in den Rankings der Pressefreiheit ab. Wie stellt sich die Lage ein Jahr später dar? Was tut die Politik, was machen die Medien, um die Presse freiheit im Land zu verbessern? *Änderungen aus Aktualitätsgründen vorbehalten. Gehirn und Biopolitik Nr. 10 • 9. März Die neuesten Fortschritte in der Hirnforschung wecken Hoffnung in der Medizin – eröffnen aber auch ungeahnte Möglichkeiten der Manipulation. Ein Schwerpunkt anlässlich des „Symposion Dürnstein“. Schöne neue Arbeit Nr. 12 • 23. März Die Arbeitswelt steht vor großen Umbrüchen. Wie kann man der Demografie sinnvoll entgegenwirken? Welche Rolle spielt Migration, wenn es um Mangelberufe geht? Und wie verändert die „Gen Z“ den Arbeitsmarkt? Ein Ostern? ALLES AUCH DIGITAL AUF FURCHE.AT Podcasts, Videos, E-Paper und alle FURCHE-Artikel seit 1945 JETZT 77 Jahre Zeitgeschichte im NAVIGATOR. Nr. 14 • 6. April Der Termin des Osterfests kann zwischen West- und Ostkirchen um mehrere Wochen differieren: nicht zuletzt für die Ökumene ein Ärgernis. Warum ist das so, und welche Chancen bestehen auf eine globale Einigung beim Ostertermin? 20 Jahre Lektorix Nr. 16 • 20. April Kinder- und Jugendliteratur hat nicht den Stellenwert, den sie verdient. Die FURCHE aber zeichnet seit 2003 monatlich Bücher für Junge und Junggebliebene aus. Wir feiern das anlässlich der Leipziger Buchmesse. Aus für das Auto? Nr. 18 • 4. Mai Der Klimawandel ist Motor für die größten Veränderungen der Autoindustrie seit Erfindung des Automobils. Gibt es grünen Individualverkehr? Und wie kann individuelle Mobilität ohne kollektive Schäden funktionieren? Von Wolfgang Bahr Glaubt man dem slowakischen Historiker Anton Hruboň, dann liegen über Jozef Tiso alle Fakten auf dem Tisch: geboren 1887, 1910 Priesterweihe in Wien, Theologe in Nitra, nach 1918 Engagement in Andrej Hlinkas Slowakischer Volkspartei, nach Hlinkas Tod 1938 de facto Parteichef, nach dem Münchner Abkommen Ministerpräsident des slowakischen Landesteils der Tschechoslowakei, am 9. März 1939 von der Prager Zentralregierung abgesetzt, am 13. März in Berlin von Hitler empfangen und zur Ausrufung eines selbstständigen Slowakischen Staats am Tag danach vergattert. Am 26. Oktober 1939 Staatspräsident, am 23. Oktober 1942 Führer von Partei und Staat. 1945 Flucht nach Westen, Festnahme durch die Alliierten und Auslieferung an die ČSR, am 18. April 1947 Hinrichtung nach einem Schauprozess. Hruboň, Dozent an der Universität Banská Bystrica, sieht Tiso weniger als kontroverse Figur denn als Pragmatiker: Im Königreich Ungarn gab er sich hungarophil, im Nationalrat der Tschechoslowakischen Republik trat er stets nur für die Föderalisierung ein. Hitler hatte für die Rolle des Staatsgründers eigentlich Karol Sidor ausersehen, Tisos langjährigen Kontrahenten. Da Sidor als neuer slowakischer Ministerpräsident das Angebot aus Loyalität zur noch amtierenden Prager Zentral- „ Jozef Tiso forcierte die Amalgamierung des Katholischen und Nationalen in seiner Person. Die Hinrichtung 1947 machte aus ihm einen Märtyrer. “ regierung zurückwies, griff er auf den soeben entlassenen Vorgänger zurück. Unter der Drohung, widrigenfalls die Slowakei zu zerschlagen, ließ sich Tiso zum Vollstrecker von Hitlers Plänen überreden. Während man in Berlin einen katholischen Priester als Oberhaupt eines Vasallenstaats eigentlich als No-Go betrachtete, habe Tiso, so Anton Hruboň, gerade auf die religiöse und konfessionelle Karte gesetzt. Tiso sei kein Faschist gewesen, die revolutionären Nationalsozialisten waren ihm unsympathisch, sein Ideal war der christliche Ständestaat. Da er aber, wenn auch widerstrebend, die Anordnungen aus dem Reich mittrug, von der Deportation der Juden 1942 bis zur Niederschlagung des Volksaufstands 1944, musste er in Kauf nehmen, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Genau an diesem kritischen Punkt setzt Hruboňs Analyse von Tisos „Mythos und Kult“ ein. Bis 1939 sei Tiso ein Realpolitiker gewesen, ohne die Aura eines Marschs zur Feldherrnhalle oder auf Rom. Am 26. Oktober 1939 zum Staatspräsidenten gewählt, mussten aber Mythos und Kult des Priesters eine besondere Intensität annehmen, und je stärker sein Stern sank, desto mehr musste er leuchten. Tiso selbst forcierte die einzigartige Amalgamierung des Katholischen und Nationalen in seiner Person. Die Festnahme 1945 und die Hinrichtung zwei Jahre später machten aus Jozef Tiso vollends einen Märtyrer, mit den Freimaurern, Liberalen und Kommunisten, Juden und Tschechen als Schergen. Während in der Slowakei mit der kommunistischen Machtergreifung 1948 der offene Kult erlosch, gedieh er im slowakischen Exil in üppiger Weise, in katholischen Kreisen bis hin zur Forderung nach Tisos Seligsprechung. Eine besondere Rolle spielte dabei der mittlerweile 97-jährige Historiker und Salesianer Milan Stanislav Ďurica, der die Slowakische Republik noch selbst erlebt hat und verteidigte, als Professor an der Universität Padua jedoch auch in kritischen Kreisen über ein gewisses Ansehen verfügte und die Debatte über Jozef Tiso jedenfalls wesentlich mitbestimmt hat. In seiner alten Heimat fand Ďurica einen Verbündeten im Bischof von Nitra, Kardinal Ján Korec. Beide erblickten in jeder Kritik an Tiso einen Angriff auf die katholische Kirche. Der Kulturkrieg eskalierte Mitte der Neunzigerjahre, als Korec dem Obmann der Christdemokratischen Bewegung (KDH), Ján Čarnogurský, die Frage stellte, warum er „nicht konsequenter die Interessen der Christenheit“ verteidige. Čarnogurský, ein Täufling Karol Sidors, trat zwar prinzipiell für die erneute Ausrufung der Unabhängigkeit ein, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt als vor 30 Jahren, am 1. Jänner 1993. Nach der Jahrtausendwende war es vor allem der Erzbischof von Trnava, Ján Sokol, der mit positiven Erinnerungen an den Tiso-Staat Aufsehen erregte. Gern zeigte er sich mit dem Rechtsradikalen Marian Kotleba und dessen Anhängern, deren Uniformen an die Hlinka-Garden der Tiso-Zeit erinnerten. Mittlerweile hätten sowohl Kotlebas „Volkspartei – Unsere Slowakei“ als auch deren noch radikalerer Abkömmling „Republika“ von der Verherrlichung des Tiso-Staats umgeschwenkt auf aktuelle soziale Forderungen, so Hruboň. Doch die eindeutige Absage der Bevölkerung der Gemeinde Varín in einem Referendum vom 29. Oktober 2022, die letzte Tiso-Straße des Landes umzubenennen, gebe zu denken – denn die Nachfrage nach einem Führer bestehe nach wie vor: „Es ist alles in und über unseren Köpfen.“
DIE FURCHE · 5 2. Februar 2023 Religion 13 Rom untersagt per Brief von drei Dikasterienleitern im Kardinalsrang die Einrichtung eines Synodalen Rats in Deutschland. Papst Franziskus legt in einem Interview nach: Der Synodale Weg in Deutschland sei „nur dem Namen nach ein synodaler Weg“. Elite à la Franziskus Von Gregor Maria Hoff Was im November beim Ad Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom noch als Dialog inszeniert wurde, hat sich nun als römisches Verbot verdichtet. Auf Anfrage von fünf deutschen Bischöfen haben die Kardinäle Parolin, Ladaria und Ouellet mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes erklärt, dass die Einrichtung eines Synodalen Rats in Deutschland nicht zulässig sei. In einem solchen Format, das vom Synodalen Weg mit Zweidrittelmehrheit auch der anwesenden Bischöfe beschlossen wurde, gebe man das Bestimmungsprofil, sprich: das Entscheidungsmonopol bischöflicher Verantwortung preis. Zudem dürfe man keine Strukturen schaffen und Entscheidungen treffen, die aus dem kirchenrechtlichen Rahmen und aus den lehramtlichen Bestimmungen der Universalkirche fielen. Letzteres zielt vor allem auf das Votum des Synodalen Wegs, die Möglichkeit einer Frauenordination zu prüfen, aber auch die katholische Sexualmoral beziehungsethisch umzustellen. Dass dies die Einschätzung von Homosexualität als Sünde betrifft und gendertheoretische Fragen einschließt, forciert römisches Unbehagen. Vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken wie auch von Bischofskonferenzvorsitzenden Georg Bätzing folgte eine Replik, die inhaltlich bekannt ist: Kein Eingriff ins Kirchenrecht. Keine eigenständige Veränderung katholischer Lehre. Wohl aber: Vorschläge, Erfahrungen, die in den weltweiten synodalen Prozess eingebracht werden sollen. Das aber geschieht mit der mehrheitsgetragenen Autorität einer Versammlung, die das Volk Gottes in Deutschland mit Bischöfen und gewählten Vertretern aus dem Laienkatholizismus und seinen Verbänden, aus Orden und geistlichen Gemeinschaften sowie aus Priesterräten und verschiedenen Handlungsfeldern der Kirche vertritt. Foto: APA / AFP / Tiziana Fabi Der Bischof entscheidet allein. Basta. Das freilich beeindruckt im Vatikan nicht. Bätzings Argument, dass die apostolische Dignität des bischöflichen Amtes zur Geltung kommt, wenn sich Bischöfe in Wahrnehmung ihrer Verantwortung auf synodale Beratungs- und Entscheidungsprozesse festlegen, wird auch im jüngsten Schreiben der hochrangigen Dikasterien-Chefs nicht theologisch aufgenommen. Zum Amt des Bischofs gehört die alleinige Entscheidungskompetenz. Dieses Basta bestätigt Papst Franziskus durch ausdrückliche Unterstützung. In einem Interview legt er nach: Der Synodale Weg in Deutschland sei „nur dem Namen nach ein synodaler Weg; keiner, an dem das Volk Gottes als ganzes beteiligt ist, sondern einer, der von einer Elite veranstaltet wird“. Dieser Hinweis ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Laut Wikipedia bezeichnet Elite „soziologisch eine Gruppierung (tatsächlich oder mutmaßlich) überdurchschnittlich qualifizierter Personen (Leistungseliten, Funktionseliten) oder die herrschenden bzw. einflussreichen Kreise (Machteliten, ökonomische, juristische Eliten) einer Gesellschaft“. Während der Synodale Weg in Deutschland von Bischöfen und Laienvertretern gemeinsam beschlossen wurde und die Synodalversammlung durch geordnete Wahlverfahren das Volk Gottes in seinen unterschiedlichen Gliedern am Synodalen Weg beteiligte, hat der Papst den weltweiten synodalen Prozess beschlossen und Mitglieder in den vorbereitenden Gremien ernannt. Die Rolle des Volkes Gottes als Akteur unterscheidet sich vom deutschen Ansatz erheblich. Man darf insofern gespannt sein, wer von den Synodalen der römischen Kirchenversammlung nicht unter den Eliten-Begriff des Papstes fällt. Der führt im Übrigen zu einer ironischen Volte. Wenn Bischöfe im Sinne der vorgesehenen kirchlichen Auswahlverfahren überdurchschnittlich qualifizierte Personen sind und zugleich in ihren Diözesen herrschen sollen, erfüllen sie alle Merkmale katholischer Elite. Sind sie nicht Teil des Volkes Gottes? Sollten sie auf dem Synodalen Weg nicht bestimmend wirken, um dem Verdacht zu entkommen, es handle sich um ein Unternehmen, das „von einer Elite veranstaltet wird“? Dann muss man aber aus römischer Sicht auch nicht davor warnen, dass Bischöfe ihre apostolische Macht verlieren. Im Gegenteil: Elitentheoretisch wäre dies im Sinne des Papstes geboten. „ Der Einwurf des Papstes macht deutlich: Synodalität ist ein Prozess, in dem sich das Verständnis von Synodalität erst entwickeln muss. Das betrifft alle Beteiligten. “ Papst Franziskus legt keinen gehobenen Wert auf semantische Klarheit und theologische Begründungen. Der Charme seiner pastoral-pontifikalen Einlassungen von fliegenden Pressekonferenzen über markante Zeichen der Zuwendung zu Menschen in Not bis hin zu seinen eindrücklichen Predigten besteht gerade darin, dass er Grenzen überschreitet. Sollte er dies auch in diesem Fall getan haben? Handelt es sich um eine paradoxe Intervention ersten Ranges? Beabsichtigt haben dürfte das der Papst kaum. Aber seine Einlassung zeigt, dass es nicht zuletzt an einem mangelt: An einer überzeugenden Form, in der präzise bestimmt wird, was die Rede vom Volk Gottes bedeutet. Wenn der Papst zu Recht auf ideologische Positionen hinweist, die in synodale Prozesse eingehen können, müsste dies angesichts der politischen Aufladung der Rede vom Volk Gottes durchbuchstabiert werden. Dient das Volk Gottes als Referenz, wenn es gerade passt? Wie und durch wen kommt es mit dem ihm eigenen Glaubenssinn zur Sprache? Wird es am Ende nicht doch von Bischöfen, also im Formsinn von kirchlichen Machteliten repräsentiert? Der Einwurf des Papstes macht deutlich: Synodalität ist ein Prozess, in dem sich das Verständnis von Synodalität erst entwickeln muss. Das betrifft alle Beteiligten. An einem Punkt greift die Intervention des Papstes ganz sicher: mit Blick auf den GLAUBENSFRAGE Päpstliche Kritik Papst Franziskus nach der Generalaudienz am 25. Jänner in Rom. In einem Interview mit der Associated Press kritisierte Franziskus explizit den Synodalen Weg in Deutschland als „von einer Elite gestaltet“. Demut statt Abgehobenheit Lesen Sie dazu auch Gregor Maria Hoff am 23.11.2022: „Ad Limina - oder: Deutsche Bischöfe in Rom“, siehe furche.at. katholischen Missbrauchskomplex. Dass die episkopalen Eliten versagt haben, dass sie immense Schuld auf sich geladen haben, dass sie damit Verantwortung für eine Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche mit massenhaften Austritten tragen – das ist allerdings Anlass für päpstliche Elitenkritik. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Franziskus sich und seine engsten kurialen Mitarbeiter fragen muss, ob sie die systemische Dimension des Missbrauchs in der Kirche wahrnehmen und durchschlagende Konsequenzen zu ziehen bereit sind. Der Autor ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumene an der Uni Salzburg. Von Mouhanad Khorchide Ist im Zusammenhang mit dem Islam von Religion und Politik die Rede, dann meist unter dem Vorzeichen der Notwendigkeit der Trennung zwischen beiden. Diese Aufforderung ist richtig und wichtig. In vielen islamischen Ländern erlebt man allerdings bis heute, wie Religion als Machtinstrument despotischer Regime missbraucht wird. Eine institutionelle Trennung würde beide schützen. Dadurch, dass die Debatte meistens bei solchen Aufforderungen aufhört, wird versäumt, sich mit einer ganz anderen Frage auseinanderzusetzen: Kann Religion, in unserem Fall der Islam, die Politik bereichern? Meine Antwort lautet: Ja, allerdings nur dann, wenn der Islam in seiner spirituellen und ethischen Dimension verstanden und praktiziert wird, und nicht, wie so oft in Geschichte und Gegenwart, als Macht- oder Unterwerfungsinstrument. – Wir erleben in diesen Tagen in Österreich ein zunehmendes Misstrauen vieler Menschen gegenüber politischen Parteien, da Politikerinnen und Politiker immer stärker mit Eigennutz, Egoismus und Narzissmus assoziiert werden. Sind aber Religionen nicht da, um uns gerade zur kritischen Selbstreflexion zu ermutigen? Haben nicht alle großen Gelehrten gesagt: Gottes Erkenntnis beginnt mit der Selbsterkenntnis? Der Islam, wie ich ihn verstehe, ruft nicht nur zu dieser inneren Läuterung und zum Befreien von Egoismus, Hochmut und Narzissmus, sondern erinnert an die Bestimmung des Menschen als Kalifen, als Statthalter Gottes. – Das heißt, der Mensch hat einen klaren Auftrag: seine Gesellschaft und seine Umwelt verantwortungsvoll zu gestalten. Politik zu betreiben bedeutet dann, das Leben konstruktiv und verantwortungsvoll, auch für die kommenden Generationen, zu gestalten und nicht, persönliche oder parteipolitische Interessen zu verwirklichen. Persönliche Leitlinie wäre Demut und nicht Abgehobenheit Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.
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