DIE FURCHE · 5 2 Das Thema der Woche Justiz im Vormarsch 1. Februar 2024 AUS DER REDAKTION In Wien sind die Wiener rar. Ob böhmischer, türkischer, bosnischer oder sonstiger Hintergrund: Die Großstadt war und ist ein Schmelztiegel. Woran es liegt, dass so besonders viele Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher hier leben, kann ich – in aller Befangenheit – nur erahnen. Jedenfalls findet sich nun ein weiteres Exemplar in unserer Redaktion: Magdalena Schwarz (siehe Bild) leitet ab sofort das Ressort Gesellschaft, Bildung, Ethik. Eine erste Kostprobe ihrer Kompetenz finden Sie in ihrer Recherche zum Quereinstieg im Klassenzimmer (Seiten 12–13). Gleich davor ist zumindest ein halber Oberösterreicher zu finden: Josef Hader. Im großen Interview, das auch als Podcast auf furche.at zu hören ist, spricht er anlässlich seines neuen Films über die Abgründe von Provinz und Politik. Wie das in Salzburg so ist, weiß Wolfgang Machreich zur Genüge. Für seinen Fokus „Justiz im Vormarsch“ hat er sich freilich in die Tiefen des Rechts begeben – und nach Den Haag. Die dunkle Geschichte der aktuellen Bauernproteste beleuchtet schließlich Christian Jostmann in einem brillanten Essay über die Landvolkbewegung. Sie hat schon was, die Stadt. (dh) Foto: Privat Von Meinrad Handstanger Unsere Tage charakterisiert ein verbreitetes und vertieftes Krisengefühl. Das betrifft auch Demokratie und Justiz. Deren Zentrum, die Gerichtsbarkeit, wird vom politischen Philosophen Montes quieu den anderen beiden Staatsfunktion Gesetzgebung und Regierung gegenübergestellt. Ihre Gestaltungsfähigkeit sieht er freilich limitiert: Richter seien lediglich der „Mund des Gesetzes“. Wie Boten bringen sie das Gesetz zum einzelnen Streitfall, ohne den Inhalt des Gesetzes ändern zu dürfen. Politik und Justiz in Österreich zeigen ein ineinander verschlungenes Bild. Strafgerichtliche Verfahren im Gefolge von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind von großem Medieninteresse begleitet. So wie die Tätigkeit dieser Untersuchungsausschüsse selbst mit ihren Diskrepanzen zwischen Parlament und Regierung. Wiederholt rufen diese Verfahren den Verfassungsgerichtshof auf den Plan, der sich seinerseits sogar an den Bundespräsidenten zur Entscheidungsumsetzung wenden musste. Der Gerichtshof der Europäischen Union wiederum hat Österreich gerade eben bescheinigt, dass der Nationalrat und seine Untersuchungsausschüsse nicht von der datenschutzrechtlichen Kontrolle einer Aufsichtsbehörde (dazu wurde die Datenschutzbehörde eingerichtet) ausgenommen sind. Auf nationaler Ebene steht der Verfassungsgerichtshof in schon vertraut gewordener Weise dem parlamentarischen Gesetzgeber als „negativer Gesetzgeber“, der Gesetze aufhebt, gegenüber. So erwies sich erst kürzlich die Sicherstellung von Mobiltelefonen im Strafverfahren ohne richterliche Bewilligung als verfassungswidrig. Im Interview „Die Gesetzesflut: Nur schwer einzudämmen“ erklärte am 10. Juli 1997 VfGH-Präsident Ludwig Adamovich die Herausforderungen für das Höchstgericht; nachzulesen unter furche.at. Auch wenn sich nationale, europäische oder internationale Gerichte regelmäßig in politische Belange einmischen (müssen): Von einer „Juristokratie“ kann keine Rede sein. Ein Gastkommentar. Gerichte machen keine Politik! Justiz-Mankos am Pranger Aber auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mischt mit und erachtete beispielsweise vor einem Jahr die Handhabung der österreichischen Rechtslage durch den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof in einem namensrechtlichen Fall für nicht konform mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Fast laufend erhält man auch Berichte über Mankos der Justiz in einigen EU-Mitgliedstaaten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dazu. Und gerade eben hat sich der Internationale Gerichtshof in Den Haag mit den aktuellen Ereignissen im Gazastreifen beschäftigt (siehe Seite 4). Alle diese Interventionen nationaler, europäischer oder internationaler Gerichte könnten den Eindruck erwecken, dass nationale und internationale Politik unter gerichtlicher Kontrolle stehen und nationale Gerichte wiederum von Gerichten auf internationaler Ebene geprüft werden. Steht die Politik also unter der Dominanz von Gerichten – oder gar unter einer „Herrschaft der Richter“, einer Juristokratie? Dieser Schein trügt. Aus der Gerichtsbarkeit wird immer wieder darauf hingewiesen – etwa erst kürzlich vom Präsidenten des französischen Verfassungsrats im Kontext eines Migrationsgesetzes –, dass Gerichte keine „Politik machen“. Gerichte entscheiden nach vorgegebenen Rechtsnormen, die sie nach reglementierten „ Ohne Rechtsstaatlichkeit kann die Achtung von Demokratie und Verfassung nicht sichergestellt werden. Ein Rechtsstaatlichkeitsproblem ist im Ergebnis ein Demokratieproblem. “ Illustration: Rainer Messerklinger Baustelle Justiz Werden die Justiz und ihre Unabhängigkeit beschnitten, kommt die Demokratie in ernsthafte Krisen, warnt Meinrad Handstanger. Interpretationsstandards auf die ihnen vorgelegten Streit fälle anwenden. Ein solcher Streitfall ist auch die Frage der Verfassungskonformität eines Gesetzes. Die Tätigkeit der Gerichte wird nicht von den Gesetzlichkeiten der Macht, sondern von Rechtsvorschriften bestimmt. Die Rolle der Gerichte wird von vornherein auch durch die Fallbezogenheit begrenzt: Gerichte werden reaktiv, nicht initiativ tätig. Die Wirkungen ihrer Entscheidungen sind limitiert. Verfassungsgerichte können Gesetze nur als verfassungswidrig wirkungslos machen, die Erlassung von Ersatzregelungen liegt dann beim Parlament. Wegen ihrer Entscheidungsverpflichtung können sich Gerichte aber nicht vor den Spielräumen davonstehlen, deren genauere Ausfüllung ihnen der Gesetzgeber in den Rechtsvorschriften überträgt. Sei es, weil sich der Gesetzgeber (wie recht oft) nicht zu einer weitergehenden Ausformulierung durchringen konnte und diese damit den Gerichten überantwortet. Sei es, weil nach dem Normcharakter (wie bei Grundrechten) die gesetzliche Festlegung überhaupt nur grobmaschig erfolgen kann. Die Entscheidungstätigkeit der Gerichte kann sich dann nicht auf die bloße „Mund“-Rolle eines für alle Details vorsorgenden Gesetzes beschränken. Verfassung und Gesetze repräsentieren von Parlamenten produzierte „fest gewordene Politik“. Verfassungs- und Gesetzesanwendung können daher keinen „Handstreich der Richter“ gegen die „Souveränität des Volkes“ bedeuten. Denn Volkssouveränität, wie sie im ersten Artikel des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes zum Ausdruck kommt („Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“), entbindet das Volk nicht von der Verfassung, die demokratischen, föderalen und rechtsstaatlichen Überlegungen folgt. Vom Volk geht die politisch-parlamentarische Rechts erzeugung auf den institutionellen Schienen der Verfassung aus. Justiz und damit Gerichte setzen die Demokratie um. Ohne Rechtsstaatlichkeit kann die Achtung von Demokratie und Verfassung, insbesondere der Grundrechte, nicht sichergestellt werden. Ohne Rechtsstaatlichkeit, die unabhängige Gerichte und gerichtliche Verfahren gewährleistet, wozu zur Sicherstellung der Entscheidungsunabhängigkeit auch eine entsprechende Personal- und Sachausstattung gehört, sind demokratisch eingeräumte Rechte undemokratischen Zugriffen ausgesetzt. Ein Rechtsstaatlichkeitsproblem ist somit im Ergebnis ein Demokratieproblem. Umgekehrt sind Parlamente der Gerichtsbarkeit nicht „ausgeliefert“. In Reaktion auf Gerichtsentscheidungen können deren Vorgaben, die Gesetze, für die Zukunft novelliert werden. (Zur dementsprechenden Forderung im Anschluss an das OGH-Urteil zu „wrongful birth“ siehe Seite 15.) Dieser oft geführte „Dialog“ kann Gesetzesinhalte sachgerechter formen. Der europäische Grundrechtsstandard, wie er in der Europäischen Menschenrechtskonvention Ausdruck findet, muss dabei allerdings sowohl von den Parlamenten als auch Gerichten beachtet werden. Die Bewältigung dieser Anforderungen erfolgt prinzipiell in bewährten Routinen, sie eröffnet keine Krisen. Justiz und Medien im Visier Ernsthaft in Krisen kommen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit allerdings, wenn die Justiz und ihre Unabhängigkeit beschnitten werden. Politik und ihre Institutionen entkoppeln und entbinden sich dann vom Bereich des Rechts. Der demokratische Gehalt des politischen Systems schwindet, was ein entrechtendes Bild von „Demokratie“ (etwa eine „illiberale Demokratie“) nicht verschleiern kann. Zudem lässt sich beobachten, dass mit Eingriffen in die Justiz regelmäßig Eingriffe in den Medienbereich einhergehen, um eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern. Beide Eingriffe mindern oder beseitigen Schranken und Kontrollen für den Bereich der Politik und begünstigen die Negierung von Rechten sowie sachfremde Vereinfachungen. Demgegenüber stellt eine unabhängige Justiz die Rechte der Einzelnen sicher. Ihre Judikatur strahlt (gerade für Grundsatzfragen) auch aus auf die rechtspolitische Bewältigung neuer anstehender Probleme und unterstützt damit die Gesetzgebung. Der Autor war Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofs und ist Praxisprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz.
DIE FURCHE · 5 1. Februar 2024 Das Thema der Woche Justiz im Vormarsch 3 Erfolg misst sich für Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller nicht an der Zahl von Schuldsprüchen. Ein „Zitierverbot“ lehnt sie ab – und beim Endlosstreit über die Weisungskette wünscht sie sich die Macht auf einen Dreiersenat verteilt. „Weisungsrecht ist Klotz am Bein“ Das Gespräch führte Wolfgang Machreich Um Vorverurteilungen zu verhindern, sind Ermittlungsverfahren nicht öffentlich, betont die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, Cornelia Koller. Dass regelmäßig aus Akten zitiert werde, liege am Recht der Beschuldigten, sich bestmöglich zu verteidigen. DIE FURCHE: Frau Präsidentin Koller, wer den aktuellen Prozess gegen Sebastian Kurz verfolgt, bekommt den Eindruck, hier finde ein Match Staatsanwälte gegen Angeklagte statt. In der Vergangenheit gab es bei anderen (Ex-)Politiker-Verfahren Freisprüche, die wurden dann als Art Niederlage für die Staatsanwaltschaft kommentiert. Sehen Sie das auch so? Cornelia Koller: Das ist eine völlig unrichtige Darstellung in der Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft unterliegt dem Objektivitätsgebot. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen des Staates wahrzunehmen und nicht die einer Partei. Im Vorverfahren müssen wir abwägen, welche Beweise sprechen für eine Täterschaft und welche dagegen. Wir sind verpflichtet, alle möglichen und zielführenden Ermittlungen durchzuführen, ansonsten würden wir möglicherweise strafrechtsrelevante Dinge nicht finden. DIE FURCHE: Wann wird Anklage erhoben? Koller: Wenn für uns die Wahrscheinlichkeit überwiegt, also bei über 50 Prozent liegt, dass es zu einem Schuldspruch kommt, sind wir verpflichtet, die Entscheidung über eine Straftat dem Gericht zu überlassen. Richterinnen und Richter brauchen jedoch eine hundertprozentige Überzeugung, dass es sich um eine Straftat handelt und der Beschuldigte der Täter ist. Nur in diesem Fall darf es zu einer Verurteilung kommen. Eine Staatsanwaltschaft ist nicht erfolgreich, wenn sie eine Anklage durchbringt oder einen Schuldspruch erreicht. Eine Staatsanwaltschaft ist dann erfolgreich, wenn sie so weit wie möglich aufklären konnte, was wirklich passiert ist. Das ist unsere Aufgabe. Dafür machen wir unseren Job. DIE FURCHE: Für den vor allem Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) regelmäßig von der Politik kritisiert werden. Warum ist das so? Koller: Die WKStA trifft es am öftesten, weil sie die für die Politik interessantesten Verfahren führt. Sie verfolgt Korruptionsdelikte oder große Wirtschaftscausen, wo auch Politikerinnen und Politiker in die Ermittlungen geraten können. Wobei ich klarstellen möchte: Ein Ermittlungsverfahren ist überhaupt nicht öffentlich. Nur die Beteiligten des Verfahrens sind zur Akteneinsicht berechtigt. Das hat seinen guten Grund, es soll zu keinen Vorverurteilungen kommen. Beim Ermittlungsverfahren kann auch herauskommen, dass keine strafrechtliche Handlung vorliegt. Viele Details geraten aber vor der Entscheidung, ob Anklage erhoben wird oder nicht, an die Öffentlichkeit. Das erzeugt ein Bild, als würden die Staatsanwaltschaften diese Informationen nach außen tragen, was nicht der Fall ist. Foto: APA / Helmut Fohringer DIE FURCHE: Sondern? Koller: Alle Beschuldigten haben das Recht, sich bestmöglich zu verteidigen. Wenn sie die Medienberichterstattung dafür nutzen können, dürfen sie das nach der österreichischen Rechtslage. Beschuldigte dürfen Informationen aus dem Akt weitergeben, die unterliegen aber ihrer Interpretation. Es kann also sein, dass ein Beweismittel herausgezogen wird, fünf andere, die das widerlegen, aber verschwiegen werden. Die Staatsanwaltschaft kann das aber nicht richtigstellen. Wir können nicht sagen: Da wird Blödsinn verbreitet, weil im Akt steht das und das. Wir sind an das Amtsgeheimnis gebunden. DIE FURCHE: Wird sich diese Schieflage mit dem diese Woche beschlossenen Aus für das Amtsgeheimnis ändern? Koller: Ich nehme an, dass sich in diesem Bereich auch durch das Informationsfreiheitsgesetz nicht viel ändern wird. Die Staatsanwaltschaft darf keine Informationen rausgeben, wenn diese zum Nachteil der Verfahrensbeteiligten wären oder eine spätere Entscheidung im Strafverfahren behindern könnten. Letztlich kann man diese Informations weitergabe nicht unterbinden. DIE FURCHE: Ein Zitierverbot aus nicht öffentlichen Ermittlungsakten, wie von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gefordert, ist für Sie keine Option? Koller: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, Journalisten mit einem Zitierverbot zu beschränken. Ich sehe den richtigen Weg darin, die Sensibilität in den Medien zu schärfen und die Öffentlichkeit zu informieren, wie diese Informationen entstehen und welches Ungleichgewicht hier besteht. „ Wenn für uns die Wahrscheinlichkeit überwiegt, dass es zu einem Schuldspruch kommt, sind wir verpflichtet, die Entscheidung über eine Straftat dem Gericht zu überlassen. “ Foto: Wolfgang Machreich Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller ist Erste Staatsanwältin in der Staatsanwaltschaft Graz. DIE FURCHE: Apropos Gleichgewichte: Im Unterschied zu früher stehen heute die Staatsanwälte viel mehr im Lichte der Öffentlichkeit. Woran liegt das? Koller: Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens wird seit 2008 das Ermittlungsverfahren nicht mehr vom Untersuchungsrichter, sondern von den Staatsanwaltschaften geleitet. Damit liegt die Letztentscheidung, wel - che Ermittlungsschritte gesetzt werden, bei der Staatsanwaltschaft. Zweitens kann man die Staatsanwaltschaft viel leichter angreifen. DIE FURCHE: Warum? Koller: Die Staatsanwaltschaften sind nicht weisungsfrei wie die Richter. Das Weisungsrecht ist ein extremer Klotz an unserem Bein, weil uns damit die Unabhängigkeit und Objektivität nicht zugesprochen werden, die wir in unserer Arbeit brauchen. Theoretisch könnte die Justizministerin in jedem Fall sagen, wie und wann dieser zu erledigen ist. Das tut sie natürlich nicht, das würde sie politisch nicht überleben. Aber allein schon diese Anscheinsproblematik schadet unserem Bild in der Öffentlichkeit massiv. WKStA-HAUPTBESCHÄFTIGUNG Die Abschaffung des Weisungsrechts forderte schon am 1. Mai 1952 Wilhelm Malaniuk im Artikel „Die Staatsanwaltschaft und die Unabhängigkeit der Rechtspflege“; nachzulesen auf furche.at. Bühne frei für WKStA Die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft steht am meisten in der Kritik, meint Cornelia Koller, weil sie die für die Politik interessantesten Verfahren führt. (Im Bild Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic.) Das ist auch der Grund, warum wir sehr oft in ein politisches Gezerre kommen, wo wir nicht hinwollen und auch nicht hingehören. DIE FURCHE: Auch das politische Gezerre um das Weisungsrecht dauert an. Was wünscht sich die Staatsanwälte-Vereinigung? Koller: Wir unterstützen ganz klar den Vorschlag der Arbeitsgruppe im Justizministerium, dass die Weisungsspitze aus dem Justizministerium herausgelöst und an eine Generalstaatsanwaltschaft übertragen wird. Diese soll in einem Dreiersenat entscheiden. Ich bin ein Fan davon, Macht auf mehrere Schultern zu verteilen. Das schafft eine breitere Basis an Fachwissen, an Erfahrungen und Werten. Ein Dreiersenat ist auch nicht so exponiert wie eine einzelne Person und kann nicht so leicht attackiert werden. Der Oberste Gerichtshof, der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof entscheiden in Senaten, warum also nicht auch bei uns. Ich sehe keine Nachteile in dem Modell. DIE FURCHE: In der Regierung ist die ÖVP von diesem Modell noch nicht überzeugt. Wie groß sehen Sie die Chance, dass es doch noch zu einer Einigung kommt? Koller: Ich würde mir wünschen, dass wir es vor der nächsten Wahl noch schaffen. Allerdings bin ich eine Gegnerin von schlechten Lösungen. Lieber ist mir dann keine Lösung als eine schlechte. Tischlereikartell, Pfusch und Krypto-Betrug Ein Blick in die Arbeitsstatistik der WKStA zeichnet ein anderes Bild als das einer Spezialeinheit zur Politikerverfolgung: Seit ihrer Gründung 2009 kam es nach Anklagen der WKStA zu über 630 Verurteilungen bei rund 380 Freisprüchen. Im Rahmen der Ermittlungsverfahren wurden rund 12.000 Hausdurchsuchungen durchgeführt; nur ein minimaler Prozentsatz führte zu Politikschlagzeilen. Die Mehrheit der Fälle (60 Prozent) dieser spezialisierten Staatsanwaltschaft mit 50 Staatsanwälten sowie Wirtschafts- und IT-Experten handelt von Wirtschaftsstrafsachen. Ein bekannter Fall ist das Verfahren um die burgenländische Commerzialbank. Andere Beispiele für die Hauptbeschäftigung der WKStA sind ein Tischlereikartell-Prozess in Niederösterreich, in dem 28 Personen und elf Firmen jahrelange Preis- und Marktaufteilungsabsprachen vorgeworfen wurden. Schwarzarbeit am Bau und daran anschließende Prozesse um Sozialbetrug gehören ebenfalls zum Portfolio der WKStA – so wie Anlagebetrug, Geldwäsche, illegales Glücksspiel oder Pyramidensysteme beim Handel mit Kryptowährungen. (wm)
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