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DIE FURCHE 24.04.2025

DIE FURCHE

Brückeüber achtJahrzehnte17 · 24. April 2025DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 81. Jg. · € 6,–Seite 8„Ohne Vietnam wäre Trump kaum denkbar“ Was steckt hinter dem Schmerz? „Dulden heißt beleidigen“Vor 50 Jahren endete der Vietnamkrieg. Die gesellschaftlichenund politischen Folgen sind bis heutepräsent. Ein Schwerpunkt. · Seiten 6–7Der Psychologe David Riedl über das höhereRisiko für chronische Schmerzen durch Traumatain der Kindheit. · Seiten 12–13Sein Buch „Toleranz“ erzählt „auch eine GeschichteEuropas“: Heinrich Schmidinger im Gespräch überein wichtiges Prinzip. · Seiten 17-18Gesten und Empathie brachten ihm Sympathien weit über diekatholischen Grenzen ein. Franziskus hat aber auch die Kirche an sichverändert, was im kommenden Konklave bereits spürbar sein wird.Der JahrtausendpapstFoto: APA / Alberto PizzoliVon Till SchönwälderAm Morgen des Ostermontags istPapst Franziskus in seiner Wohnungim Vatikanischen GästehausSanta Marta gestorben. Dort nächtigenfür gewöhnlich die aus allerWelt angereisten Kardinäle während eines Konklaves.Dass Jorge Mario Bergoglio nach seinerWahl zum 266. Bischof von Rom am 13. März2013 aus dem bescheidenen Gästehaus erst garnicht aus- und wie üblich in den ApostolischenPalast einzog, machte augenblicklich klar, wieernst es der damals 77-jährige Argentinier mitder Wahl seines – dem Armenheiligen Franzvon Assisi entlehnten – Namens meinte.Bekannt ist, wie der Menschenfreund Franziskusim Laufe der Jahre sein Pontifikat interpretierte:Er zeigte keine Scheu, aß mit Obdachlosenund umarmte Kranke, das Tragen einerkugelsicheren Weste, etwa bei Reisen in unsichereRegionen, soll er meistens abgelehnt haben.All diese Gesten brachten Franziskus, auchweit über die Grenzen der katholischen Kirchehinaus, Sympathien ein. Geschickt in Szenegesetzt wurden sie zudem von einer VatikanischenPressestelle, die es aufgrund der Unberechenbarkeitihres Chefs nicht immer leichthatte. Franziskus trug das Herz stets auf derZunge, was zu mehr oder weniger großer Aufregungführte. (Stichworte „Weiße Fahne“,„ Die Wahl eines gänzlichgegensätzlichen Papstes istzwar möglich, angesichtsder Ausgangslage aberunwahrscheinlich.“„Schwuchteleien“ usw.) Letztlich verzieh die Öffentlichkeitdem Argentinier meist schnell, wassicherlich auch an Franziskus’ im Allgemeinenunverkrampften Umgang mit dem Papstamt lag.Auch abseits der Symbolik war Franziskusganz ein Papst des 21. Jahrhunderts. In SachenKlimaschutz wirkte er mit seiner UmweltenzyklikaLaudato si’ weit über die kirchlichenWahrnehmungsgrenzen hinaus. Immer wiederkritisierte er die „Wegwerfgesellschaft“, allerdingsnicht nur in Bezug auf die Umwelt, sondernauch bei Abtreibungen und Sexualmoral.In diesen Bereichen wich er von der Lehre derkatholischen Kirche keinen Zentimeter ab. EineAusnahme bildete der Umgang mit Homosexuellen,die er immer als Teil der katholischenKirche verstand. Ausgebremst wurde er in derDebatte um die Segnung gleichgeschlechtlicherPaare letztendlich aber doch von konservativenKräften. So war es der von Franziskus selbst ernannteKardinal Fridolin Ambongo Besunguaus dem Kongo, der die Regelung in Afrika fürnull und nichtig erklärte.Franziskus erkannte zudem die immensegeopolitische Bedeutung des Dialogs mit derislamischen Welt und unterzeichnete 2019die sogenannte Abu-Dhabi-Erklärung für denFrieden, gemeinsam mit dem Großimam derKairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayeb.Echte Skandale, wie noch unter Benedikt,blieben aus. Im Gegenteil: Franziskusschien entschlossen etwa den Scherbenhaufenrund um die Vatikanbank zu beseitigen und erzwangnur wenige Tage nach seiner Wahl Rücktrittehochrangiger Banker. Schlagartig wurdevielen in der Kurie klar, dass man sich den Argentinierauf dem Stuhl Petri lieber nicht zumFeind machen sollte. Das Verhältnis zum emeritiertenPapst Benedikt XVI. dürfte insgesamtnicht so friktionsfrei gewesen sein, wie es derVatikan stets darzustellen versuchte. So sollsich Franziskus gegenüber engen Vertrautenöfter beklagt haben, von den Kreisen rund umden deutschen Papst bei seinen Vorhaben behindertworden zu sein. Dass die Predigt von Franziskusbeim Begräbnis Benedikts (zu) nüchternund unpersönlich ausfiel, wurde von nicht wenigenkritisiert. Vielleicht waren es gerade auchdiese Erfahrungen, die Franziskus letztlichdavon abhielten, es seinem Vorgänger gleichzutunund zurückzutreten.Wer jetzt den Ton angibtKirchenpolitisch war es Franziskus immerein Anliegen, auf die Ränder der Weltkirchezu schauen. Dementsprechend fielen auch seinePersonalentscheidungen aus. Er kreierte lieberKardinäle in Ulaanbaatar als in Mailandoder Paris ‒ auch Wien könnte ein ähnlichesSchicksal ereilen. Südamerika, Afrika und Asien:Franziskus machte nie einen Hehl daraus,dass er sich besonders als Papst eben jener Kontinenteverstand, und sie werden es wohl auchsein, die beim anstehenden Konklave den Tonangeben werden. 80 Prozent der wahlberechtigtenKardinäle wurden von Franziskus ernannt.Die Möglichkeit, dass man sich auf einen Kandidatenverständigt, der ein gänzlich gegensätzlichesProfil als der verstorbene Papst aufweist,ist zwar gegeben, allerdings angesichts der Ausgangssituationaber eher unwahrscheinlich.Eine gewichtige Rolle in der Kirche wird auchkünftig die Synodalität, ein Herzensthema desverstorbenen Papstes, spielen. Dezentralisierungund besonders das Umsichgreifen einerneuen kirchlichen Kultur werden nicht mehrrückgängig zu machen sein, schreibt die LinzerPastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar,selbst Weltsynodenteilnehmerin (Seite 3). Hierist Franziskus etwas gelungen, woran JohannesPaul II. und auch Benedikt noch scheiterten:Er führte die katholische Kirche endgültig insneue Jahrtausend. Am nächsten Papst wird esjedenfalls liegen, die im Franziskus-Pontifikataufgezeigten Wege in den Alltag der Kirche undbis an die vielzitierte „Basis“ zu überführen. Daranwird sich der 267. Bischof von Rom künftigmessen lassen müssen.@diefurche@diefurchefurche.attill.schoenwaelder@furche.at@diefurche.bsky.socialDie FurcheÖsterreichische Post AG, WZ 02Z034113W,Retouren an Postfach 555, 1008 WienDIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 WienTelefon: (01) 512 52 61-0

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