4 · 23. Jänner 2025DIE ÖSTERREICHISCHE WOCHENZEITUNG · SEIT 1945 81. Jg. · € 6,–Friedrich Merz: Der Fettnäpfchenjäger Schönborn-Nachfolge bleibt ungeklärt „Barew dses – alles Gute euch“Der CDU-Chef gilt als nächster deutscher Bundeskanzlerquasi als gesetzt. Seine Konkurrenz hat sichselbst demontiert. Ein Porträt. · Seite 7Franziskus hat das Rücktrittsgesuch Schönbornsangenommen und mit Josef Grünwidl einen Übergangsleiterernannt. · Seite 141961 reiste Wassili Grossman nach Armenien.Das Buch, das daraus entstand, ist ein berührendesZeugnis von Respekt. · Seiten 17–18Das Thema der WocheSeiten 2–5Auschwitz-Birkenau (Bild) war das größteVernichtungslager im NS-Staat. Rund 1,1 MillionenMenschen wurden hier sowie im drei Kilometerentfernten Stammlager Auschwitz I ermordet,darunter rund eine Million Jüdinnen und Juden.ERKLÄRUNG DES VEREINSDER CHEFREDAKTEURINNENUND CHEFREDAKTEURE:„Die Freiheit derMedien ist dieFreiheit aller“Donald Trump beginnt seine zweite Amtszeit mit dem befürchteten Großangriff auf dieInstitutionen – und findet weltweit Nachahmer. Willkommen im Stresstest für die Demokratie.Was hält noch stand?Von Doris HelmbergerDie Hand beim Eid auf die Bibel zulegen, vergaß oder verweigerteer. Doch für seine messianischeErwählungserzählung taugteGott dann doch: Dieser habe ihnbeim Attentat errettet, um die USA wiederzu neuer Stärke zu führen, erklärte DonaldTrump in seiner Inaugurationsrede. „MakeAmerica Great Again“ – mit Gottes Hilfe.Ansonsten gerierte sich der nunmehr47. Präsident der Vereinigten Staaten alsgroßer Revanchist und Revolutionär: Er werdedas darniederliegende Land in ein „goldenesZeitalter“ führen, meinte Trump – undließ darauf ein Stakkato von Kampfansagenan die Institutionen und die bisherige Weltordnungfolgen: Ausstieg aus dem PariserKlimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation,Erweiterung des US-Territoriums– beginnend mit dem Panamakanal,Notstand an der Grenze zu Mexiko, Abschiebungvon Millionen irregulärer Einwanderer,Ende der US-Staatsbürgerschaft durchGeburt (Ius soli), Aus für jegliche Transgenderrechteund Amnestie für alle 1600 Kapitol-Stürmervom 6. Jänner 2021.Wie viele dieser Ansagen Trump tatsächlichumsetzen kann, ist fraglich. MassiverWiderstand der einzelnen BundesstaatenAuschwitz steht für historisch unvergleichlicheEntmenschlichung. Die Lehren daraus sind immerneu zu ziehen. Auch 80 Jahre nach der Befreiungam 27. Jänner 1945.Nie wieder„ Ob das institutionelleUS-Gerüst resilientgenug sein wird, umder Abrissbirne Trumpszu trotzen, ist offen.“ist ebenso zu erwarten wie eine Klagsflutbis zum Obersten Gericht. Auch dürfte dienormative Kraft des Faktischen so mancheAnsage als Maulheldentum entlarven: MillionenMenschen außer Landes zu bringen,wird wohl schon an der Logistik scheitern.„Parallelen zur Weimarer Republik“Ob sich das institutionelle Gerüst der USAam Ende als resilient genug erweist, um derAbrissbirne des Möchtegern-Diktators DonaldTrump und seiner Big-Tech-Freundezu trotzen, ist dennoch offen. Wie überraschendfragil der konstitutionelle Unterbauder US-Demokratie ist, hat der in New Yorktätige Sozialphilosoph Axel Honneth letztenOktober im FURCHE-Gespräch beschrieben:„Wir haben es mit einer Unfähigkeitdes Rechtssystems zu tun, das Aufkommenverfassungsfeindlicher Kräfte nachhaltigeinzuschränken“, meinte er mit Blick aufden Aufstand rechtsradikaler Milizen beimSturm aufs Kapitol. „Die Parallelen zur WeimarerRepublik sind offensichtlich.“Sosehr sich vorschnelle historische Vergleicheverbieten – insbesondere hinsichtlichder dunklen Folie Hitler und der Singularitätder Schoa –, so gespenstisch sinddie Ähnlichkeiten von populistischer Agi-tation und rechtem Ausschlussdenken. EinUS-Präsident, der mit dem Prinzip der Verachtungoperiert und liberale Mitgliederdes Supreme Court durch Loyalisten ersetzt,schweigende Intellektuelle und einmächtiger Medienmann, der im Hintergrunddie Fäden zieht: Dieses Szenario beschreibtnicht nur den Donald Trump desJahres 2025, sondern auch den fiktivenBuzz Windripp in Sinclair Lewis’ 1935 erschienenemRoman „It Can’t Happen Here“.Doch, es kann geschehen – in den USAvon heute wie auch hier in Österreich. Oderwie sonst ist es möglich, dass freiheitlicheAbgeordnete zuerst wegen des Verdachtsdes Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetzihre parlamentarische Immunität verlieren– und nunmehr gruppenführend in dieRegierungsverhandlungen mit der ÖVPeingebunden sind bzw. sogar die Themengruppezu Verfassung und Kampf gegenden Antisemitismus leiten? Was wie einIrrwitz klingt, ist hierzulande längst Realität.Wie auch der von Trump allzu bekannteFrontalangriff auf die Medien. Dassfreiheitliche Attacken auf den liberalenStandard („Scheißblatt“) jüngst mit einerdrohenden Kürzung der Presseförderunggekoppelt wurden, war ein Fanal (vgl. dieErklärung des Vereins der Chefredakteurinnenund Chefredakteure auf dieser Seite).„Die Freiheit der Medien ist die Freiheit aller“,lautet die zentrale Botschaft. Es liegtnun an der ÖVP, das auch künftig zu garantieren.Ein Eid auf die Bibel ist dazu vorerstnicht notwendig. Es reicht, die eigenenPrämissen nicht völlig zu verraten.doris.helmberger@furche.atFoto: Hans Klaus Techt (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)Die Pressefreiheit ist eine Grundsäulejeder Demokratie. Sie garantiert, dassJournalistinnen und Journalisten unabhängigberichten können und die Bevölkerungumfassend informiert wird –frei von politischer Einflussnahme.Die Pressefreiheit wird in Österreichdurch eine Vielzahl (auch voneinander)unabhängiger Medien gewährleistet,die für unterschiedliche Perspektiven,sich ergänzende Recherchen undwechselseitige Kontrolle sorgen.In jüngster Zeit sehen wir jedoch mitBesorgnis Entwicklungen, die dieseFreiheit bedrohen. Die Aussagen einesführenden Politikers der FPÖ, der eineösterreichische Tageszeitung nach einemkritischen Bericht als „Scheißblatt“ diffamierthat und gleichzeitig die Kürzungvon Presseförderungen für kritische Medienin Aussicht stellt, weisen in einegefährliche Richtung. Diese Tendenzenuntergraben das Recht der Bürgerinnenund Bürger auf unabhängige Berichterstattungund sind ein direkter Angriffauf die Informationsfreiheit.Wir möchten darauf hinweisen, dassdie Presseförderung kein politischesWerkzeug zur Belohnung oder Bestrafungfür Berichterstattung sein darf. Siedient der Sicherung eines pluralistischenMediensystems und ist ein essenziellesInstrument, um Meinungsvielfalt undobjektive Information in einer demokratischenGesellschaft zu gewährleisten. Sowie übrigens auch die ParteienförderungPolitik frei von falscher Einflussnahmeund Korruption ermöglichen soll.Alle politischen Akteure in Österreichund insbesondere die kommende Regierungsind aufgerufen, sich zur Wahrungder Pressefreiheit zu verpflichten. DerSchutz eines unabhängigen Journalismusmuss über parteipolitischen Interessenstehen.Wer die Rechte der unabhängigen Medienbeschneidet und durch Parteimedienersetzt, der gefährdet die Pressefreiheit.Die Pressefreiheit ist Bürgerrecht undVoraussetzung für eine funktionierendeDemokratie.Die Freiheit der Medienist die Freiheit aller.Wien, Jänner 2025@diefurche@diefurchefurche.at@diefurche.bsky.socialDie FurcheÖsterreichische Post AG, WZ 02Z034113W,Retouren an Postfach 555, 1008 WienDIE FURCHE, Hainburger Straße 33, 1030 WienTelefon: (01) 512 52 61-0
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